Lesedauer 9 Minuten

Ovids Metamorphosen sind ein Klassiker. Berühmt vielleicht, aber doch nicht so oft gelesen. Es hat schließlich 15 „Bücher“ und rund 12.000 Verse. Ich werde sie jetzt lesen und über meine Leseerfahrung regelmäßig berichten. Wenn Sie Lust haben, schließen Sie sich einfach an.

I 1-4: Prooemium

In Nova …

Manchem Wort geht ein Vorwort voraus. Bevor’s richtig los geht, möchte man sicherstellen, dass der Leser es auch richtig versteht, was er da zu lesen bekommt. Ovid kommt bei seinen Metamorphosen mit vier Versen aus, die es allerdings in sich haben.

Die Welt wird geschaffen und sie wird menschlich. Ohne ihn haben alle Verwandlungen keinen Sinn. Sie meinen das sei nicht so ganz einleuchtend? Ja dann, lesen Sie weiter.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Der Mensch wurde geschaffen und wird zum „eisernen Geschlecht“. Und lehnt sich nach einer zweiten Schöpfung gegen die Götter auf. Der Mensch zeigt sich dem Menschen als Wolf.

E.T.A. Hoffmann hat darüber geschrieben und auch Arno Schmidt. Hoffmanns steinernes Herz kenn’ ich nicht (;-)), das von Arno Schmidt schon. Vor rund 40 Jahren als ich’s las, hab’ ich zwei Jahre – Minimum – so gesprochen wie er schrieb. Aber das ist alles nichts gegen das, was Ovid uns präsentiert. Hier werden Steine geworfen und Menschen gefangen.

I 416-437: Urzeugung

Dichterische Urzeugung

Urzeugung“, so überschreibt Michael von Albrecht in seiner Prosa-Übersetzung der Metamorphosen des Ovid den Abschnitt, der die Erneuerung des Lebens nach der von den Göttern verfügten Sintflut beschreibt. Die Renaissance der lebendigen Welt zeigt beim Dichter Ovid völlig andere Züge als beim gottesfürchtigen Noah.

II 1-400

Welt in Flammen – Phaethons freier Fall

Es kann alles ganz schnell gehen. Alles scheint irgendwie verständlich und gut geordnet und dann brennt plötzlich die Welt. Festgefügte Reiche zerfallen, ja selbst die Ordnung der Welt zeigt ihre zerbrechliche Form. Ovid überrascht uns schließlich mit einer traurigen Verwandlung.

II 401-832

Das Feuerwerk nach dem Feuer

Die Welt stand in Flammen. Die Katastrophe konnte nochmal verhindert werden. Aber zum Guten hat es sich damit noch nicht gewandelt. „Jetzt geht wieder alles von vorne los“. Ovid zündet ein Feuerwerk tragisch-komischer Verwandlungen aus dem wir manche Einsichten ziehen können.

II 836-875

Europa kommt nach Europa

Ein Gott wird zu einem Stier. Weil er hinter einer menschlichen Schönheit her ist. Merkwürdig? Stimmt, aber es ist die <em>causa amoris</em>. Und ganz nebenbei gewinnt ein Kontinent seinen Namen.

III 1-137

Das dramatische Wesen des Politischen

Ovid greift auf große Mythen zurück und verwandelt sie. Der Mythos von der Gründung Thebens ist zugleich eine Besinnung auf das Wesen des Politischen. Bei Ovid gibt dem eine neue Form.

III 138-252

Verkehrte Welt – alles einmal unverhüllt

Vom Jäger zum Gejagten – ist das eine Verwandlung, die uns gefällt? Wohl kaum. Es wäre eine verkehrte Welt, die zeigt, wie verkehrt die Welt in Wirklichkeit ist. Aber keine Sorge, auch darüber siegt die dichterische Verwandlung.

III 253-315

Eine besondere Rache

Ein Mann geht fremd – und wie reagiert die Ehefrau? Sie sinnt auf Rache und führt ihren Gatten und seine Geliebte nochmal zusammen, damit sie’s richtig und zwar tödlich treiben. Das ist was Ovid aus dem Mythos um die Geburt des Dionysos und damit dem griechischen Lebensgefühl macht.

III 316-338

Wer hat mehr vom Sex?

Es gibt Dinge, die wir schon immer über Sex wissen wollten. Auch die olympischen Götter haben sich da so einige Fragen gestellt. Dabei läuft nicht immer alles rund und ohne Peinlichkeit. Vor allem dürfen die Menschen nicht in die Quere kommen.

III 339-510

Ach, das bin ja ich!?

Erkenne, was Du bist„, hieß es am Apollontempel zu Delphi und wurde dann zum Programm von Philosophie und Ethik. Ovids Geschichte von Narziss gibt dem Ganzen eine neue Wendung. Das dürfte seit Narzisssmus, wie man hört, eine neue Volkskrankheit ist, auch jenseits der Altphilologie von Interesse sein. Ovids Narziss gibt jedenfalls zu denken.

III 511-732

Der Staat sieht sich bedroht

Von der eigenen Mutter und ihren Schwestern bei lebendigen Leib zerrissen – das soll das Schicksal des zweiten Thebaner-Königs gewesen sein. Pentheus sah sich von einer Macht bedroht, die er aus der Stadt verbannen wollte und die dann zurückschlug. Das ist nicht nur Mythos – das sagt auch etwas über Politik.

IV 1-415

Wir erzählen um zu arbeiten

Wozu dient der Rausch? Nicht mal dem Leben. Das Leben ist Ekstase. Und Götter dienen gar nicht. Auch nicht der Jüngste. Wer das anders sieht, der wird durchs Leben bestraft und jedenfalls in seinem Wesen verändert.

IV 416-562

Die Stadt mit tausend offenen Toren, die wir meist gar nicht finden wollen

Das Wasser findet seinen Weg und fließt schlussendlich ins Meer. Das Leben der Sterblichen gleicht dem Wasser – sie finden alle ihr Ende im Tod ohne ihn doch zu kennen. Wie die Unterwelt aussieht, dass wissen sie nicht und wollen es auch gar nicht so genau wissen. Obwohl?! Wenn Ovid die Gelegenheit nutzt sie uns ein wenig zu skizzieren, dann hören wir doch gebannt zu.

IV 563-603

Schlangen und ihre Widersacher

Die Erfolgreichen, geschäftlich und privat, seien gewarnt, den Tag nicht vor dem Abend zu loben. Man schleppt aus alten Tagen eine Menge mit sich herum. Am Ende entkommt niemand sich selbst.

IV 604-803

Angst versteinert

Es gibt sie, die Lieblinge der Götter. Odysseus ist so einer. Und Perseus. Und ihr Geschick, das bleibt, weil es erzählt wird, für immer ein Teil unserer Geschichte.

V 1-249

Odysseus zum Zweiten

Der 22. Gesang der Homerschen Odyssee berichtet vom Freiermord. Er ist die Vorlage für Perseus Kampf gegen die Freier Andromedas, den Ovid zu Beginn des 5. Buchs der Metamorphosen schildert. Natürlich ganz anders.

V 250-294

Die Musen, ihr Hain und ihre Politisierung

Athene besucht die Musen und bestaunt ihre Form des Lebens. Dabei hört sie von einer merkwürdigen Geschichte, die so nur Ovid erzählt. Wir können sie aber verstehen – und mehr als 2.000 Jahren etwas über unsere musenferne Welt erfahren.

V 295-678

Eine musische Herausforderung

Die Musen herauszufordern kann nicht gut gehen, oder? Das mag man sich kaum vorstellen. Wenn’s einer kann, dann Ovid.

VI 1-145

Die Kunst, sich in der Kunst nicht zu verlieren

Götter sind unsterblich und können nicht verlieren. Wir dagegen sind sterblich und unsere Kunst sollte beides berücksichtigen, gerade dann, wenn wir ihnen besonders nahe kommen wollen.

VI 146-312

Der Stolz der Mütter

Mütter sind stolz auf ihre Kinder. Natürlich. Das ist gefährlich – wenn es nur noch um die Kinderschar geht und dann auch noch ein Fluch auf einem liegt, der Fluch der eigenen Herkunft.

VI 313-411

Quakende Bauern und die Faszination des Schreckens

Nicht in jedem Frosch schlummert ein Prinz. Und nicht jeder Wohllaut bleibt ohne Schrecken. Ovid lässt nicht nur Bauern quaken, sondern erweist sich auch als Meister des Schreckens.

VI 412-675

Der Suspense und unsere grausame Phantasie

In der Normalität schlummert so manches Grauen. Bei Promis, den guten Nachbarn und natürlich bei uns. Wenn der Dichter (oder Filmemacher) uns bei der Geschichte mitschreiben lässt, kommt vieles zum Vorschein. Er zieht etwas gezielt in die ungewisse Länge … und schon hat er uns.

VI 675-721

Wie der Wind weht

Die Philosophie sehnt sich nach dem Wahren, Schönen und Guten. Für sie sind die Götter schön und gut. Ovid ist das egal: er beschreibt einfach ihr Walten und das ist jedenfalls nicht philosophisch…

VII 1-158

Medea denkt

Auch die Argonauten dürfen bei Ovid nicht fehlen. Er konzentriert sich aber vor allem auf Medea, eine Frau, die in der griechischen Tragödie eine erschütternde Rolle spielt. Ovid verwandelt sie wieder in etwas völlig anderes.

VII 159-351

Eine verrückte, verhexte Welt

Was geht, wird gemacht. Und manchmal wird selbst das gemacht, was eigentlich gar nicht geht, einfach nur, weil man sich sonst schuldig fühlen würde. Gegen Zauberei hilft keine Moral.

VII 352-452

Immer auf der Flucht

Was geht, wird gemacht. Und manchmal wird selbst das gemacht, was eigentlich gar nicht geht, einfach nur, weil man sich sonst schuldig fühlen würde. Gegen Zauberei hilft keine Moral.Medea kann einem schon fast wieder leid tun. Sie ist ständig auf der Flucht. Ovid lässt sie bald wieder fallen – sie leitet über zur nächsten Helden-Verwandlung.

VII 453-660

Die Pest

Wenn’s die Kunst erfordert, muss erst die Pest kommen, bevor von Heldentaten gesungen werden kann. Das ist sich Ovid schuldig.

VII 661-865

Das Schauspiel neuartiger Ereignisse

Liebende befürchten immer das Schlimmste, so heißt es. Und wenn dann auch noch zwei Geschenke zur Geltung kommen, die wundersame Kräfte haben … dann werden es „neuartige Ereignisse“, die uns zu denken geben

VIII 1-154

Ein unverdienter Sieg, der sich einem gutgemeinten Verrat verdankt

Und schon wieder macht die Liebe kopflos oder jedenfalls unverständig. Und sie verführt zu Dingen, die wir gar nicht gut heißen, aber zu denen wir uns dann, nach einigem Nachdenken doch entscheiden. Es war ja auch gut gemeint…

VIII 155-182

Durch Weglassen etwas sagen – auch eine Kunst

Theseus befreit Athen von einer grausamen Tributpflicht und Kreta von einem Ungeheuer. Darüber gäbe es so viel zu erzählen. Ovid entzieht sich dem. Er rekapituliert nur kurz und geht davon aus, der Leser wisse eh schon alles. Alles scheint nur auf eine Verwandlung hinauszulaufen, die einer anderen gleicht.

VIII 183-259

Wer die Bodenhaftung verliert, geht am Ende über Leichen

Daedalus, das Urbild des Ingenieurs, ist erfinderisch. Und seine Erfindungen fordern Opfer. Gelegentlich geht man dabei sogar über Leichen.

VIII 260-546

Zeit ist das Feuer, in dem wir verbrennen

Der calydonische Eber ist eine Plage, die von der verachteten Artemis/Demeter geschickt wurde. Kaum konnten sich die Menschen ihm erwehren, brechen die Folgen einer alten Untat über sie herein. Und immer ist es das Verlangen, das alles zu bestimmen scheint.

VIII 547-724

Auf dass der Tod uns nicht scheidet

„Bis dass der Tod uns scheidet“ – solange wollen sich Eheleute die liebende Treue halten. Eigentlich nicht. Die Liebenden wollen nicht mehr ohne den anderen Leben.

VIII 725-884

Die unheilige Extinction Rebellion

Keine Grenzen zu kennen schafft den unstillbaren Hunger des Unglücks. Ovid lässt wieder eine Geschichte von der Hybris erzählen, die eine erstaunliche Wendung nimmt.