Der „blinde Seher“ Tireisias, dessen Schicksal die vorausgehenden Verwandlungen bestimmten, ist die Brücke zu den nächsten Verwandlungen, der von Narziss in die nach ihm benannte Blume und der der Nymphe Echo in ein körperloses Stimmwesen. Tireisias war bald wegen seiner „unfehlbaren Orakelsprüche“ berühmt. Eine erste Probe gab er mit der Weissagung des Schicksals des Narziss: von seiner Mutter, der Nymphe Liriope, gefragt, ob Narziss ein langes, zufriedenes Leben erwarten dürfe, hatte er geantwortet: „Wenn er sich nicht selbst kennenlernt“. Damit konnte man zunächst nichts Rechtes anfangen: „Lange schien das Wort des Wahrsagers bedeutungslos. Doch der tatsächliche Ausgang, die Todesart und die Neuheit seines Wahnsinns bringen die Bestätigung.“[1] Ovid hat wieder alles vorweggenommen: Es nimmt mit Narziss kein gutes Ende, weil er sich selbst „erkannt“ hat. Das freilich ist eine schockierende Zumutung, die das philosophische Selbstverständnis erschüttert.
WIR LESEN OVID
Ovids Metamorphosen sind ein lesenswerter Klassiker. Wir lesen Stück für Stück die fünfzehn Bücher in kleinen überschaubaren Abschnitten. Können wir Philosophisches zur Zeit daraus lernen? Finden Sie’s raus und lesen Sie mit! Das geschah bisher.
„Erkenne, was Du bist“
„Erkenne, was Du bist“ (γνῶθι σεαυτόν) stand über dem Eingang des Apollon-Tempels in Delphi und wurde mit Sokrates zum Programm der Philosophie und ihrer Suche nach Weisheit. Lateinisch hieß das: nosce te ipsum. Und dieses Wissen (noscere) seiner selbst wird Narziss nun zum Verhängnis? Glück sei ihm nämlich nur beschieden, „wenn er sich selbst nicht kennenlernt“ (si se non noverit). Um Narziss wird es schlecht stehen, wenn er sich kennengelernt haben wird (Futur II von noscere). Die Rede ist von einem neuartigen Wahnsinn (furor) und seinem Tod in dessen Folge.
Narziss ist von ausnehmender Schönheit und Anmut. Er betört alle und begegnet ihnen zugleich mit „hartherzigem Hochmut“ (dura superbia). Er behandelt die ihm Zugewandten verächtlich. Wer Narziss begegnet wird angezogen und abgestoßen zugleich. Einer der schmählich Zurückgewiesenen fleht zur Rachegöttin, Narziss möge selbst erleben, was er anderen antut – also am eigenen Leib. Nemesis pflichtet dem bei. Sie hält das Ansinnen für naheliegend und gerecht.[2]
Narziss kann es nur am eigenen Leib erfahren. Sein Hochmut schätzt alles andere gering – er kennt nichts Schönes, das ihn in den Bann ziehen könnte außer sich selbst. Sich wahrzunehmen, heißt auch für ihn, sich zu lieben. Das macht seinen Hochmut aus. Hochmut freilich ist zu keiner wirklichen Liebe fähig – was er liebt, das stößt ihn zugleich zurück. Er bleibt sich selbst unerreichbar. Als er – in einen Zauberwald des Unberührtseins versetzt[3] – von einer Quelle trinken will, sieht er „das Spiegelbild seiner Schönheit“ und verfällt dieser Vision, „wird von ihr hingerissen, liebt eine körperlose Hoffnung [und] hält das für einen Körper, was nur Welle ist“.[4] Während er seinen Durst löschen will, erwächst in „ihm ein anderer Durst“. Aber immer, wenn er nach dem vermeintlichen Gegenüber greifen, es umarmen oder küssen will, löst es sich auf und verschwindet in der Tiefe.
„Ich bin es selbst“
Schließlich kommt er zur Erkenntnis: „Ich bin es selbst“, iste ego sum, das vielleicht besser mit „Das bin (ja) ich!“ wiedergegeben wird. Er erkennt sein Liebesleid der unerfüllten Sehnsucht: „Liebe zu mir selbst verbrennt mich… Was tun?“[5] Ist er nicht am Ziel: „Was ich begehre, ist bei mir.“[6] Also müsste sich jetzt doch Zufriedenheit einstellen – die Strafe der Nemesis, ihm selbst die Leiden einer unerfüllten Liebe spüren zu lassen, ist abgeleistet. Anders als die unglücklichen anderen, hat er nun bekommen, was er wollte. Aber man kann nicht begehren, von dem man weiß, dass man es hat. Das Begehren löst sich auf. Es gibt nichts, worauf es aus ist. Es fällt in sich zurück. Wenn er nach sich greift, greift er ins Leere. Als Tränen, die ins Wasser fallen auch das Bild seiner selbst, das er nun als Bild erkannt hat, verschwindet, erkennt er sein Elend, seine (weltlose) Einsamkeit: „Wohin fliehst du? Bleib und laß mich, du Grausamer, in meiner Liebe nicht allein!“ Das Bild war die Nahrung seines „unglückseligen Wahns“.[7]
Wer „nur“ sich liebt, liebt überhaupt nicht. Das ergibt sich aus dem Wesen der Liebe. Lieben heißt wollen, dass es einem anderen um seiner selbst willen gut geht. Wir wollen das Wohlergehen des Anderen um seiner selbst willen, nicht wegen der Freude, die wir daran finden. Wir fördern das Wohl der anderen nicht wegen des eigenen Wohls wie das Geschäftspartnern tun, wenn sie win-win Situationen schaffen. Das Glück der Anderen macht uns glücklich, aber nicht wegen unseres Glücks machen wir die Anderen glücklich. Liebe gibt es nur zwischen Personen. Sich selbst kann man nur in Rücksicht auf andere lieben – also im lebendigen Spiegel der geteilten Welt.
Die tragische Komödie des Liebeslebens
Ovid geht das wieder in besonderer Weise an. Ovid knüpft an den griechischen Mythos an und verwandelt ihn wesentlich. Dort war es nicht ein zurückgewiesener Liebhaber, die Verfluchung von Narziss erbat. Es war der Gott Eros höchst selbst, der seinen Untergang bewirkte. Narziss verweigerte Eros die Anerkennung. Er versuchte sich dessen Macht in dreister Selbstüberschätzung zu entziehen. Die Macht des Eros aber zeigt sich daran, dass jeder, der sich ihm zu verweigern sucht, mit Selbstverfallenheit und elender Verkümmerung bestraft wird. Der griechische Mythos beschreibt die dem Menschen eigene Hybris, eines selbstermächtigenden Aufstands gegen die Götter.
Auch Ovid spricht von vom „hartherzigen Hochmut“ (dura superbia), gibt ihm aber sofort eine „neue Form“ (In nova fert animus mutatas dicere formas). Ihm geht es nicht um die kosmische Ordnung, in die sich der Mensch, bei Strafe des Untergangs, einfügen muss. Ihm wird der „hartherzige Hochmut“ zu einem selbstschädigenden Verhalten im Liebesleben der Erdenbewohner. Er holt die erotische Ordnung vom kosmischen Himmel herunter und verortet sie in der irdischen Lebenswelt, in der sich die Geschlechter in erotischen Händeln anziehen und abweisen. Die Selbstgefälligkeit der allzu Schönen wird ihm zum Gegenstand einer Tragikkomödie, die dem Dichter große Auftritte ermöglicht.
So verschränkt er das Schicksal des selbstgefälligen Narziss mit der unglücklich liebenden Nymphe Echo. Sie hatte Iuno verärgert, weil sie, wenn Jupiter sich mal wieder mit anderen Nympen vergnügte, ihnen beisprang und die misstrauische Juno so lange vollblabberte, bis sich die Beteiligten vor dem Zorn der Juno in Sicherheit bringen konnten. Zur Strafe ließ ihr Juno nur mehr die letzten Wörter, die ihr zu Ohr kamen, wiederholen. Sie verliebte sich schließlich in Narziss, wurde wie all die anderen abgewiesen und verkümmerte dann zu einem unkörperlichen Klang.
Die Begegnung von Narziss und Echo zeigt typisch komödiantische Züge: sie verstehen sich miss, ziehen falsche Schlüsse und hängen den absurdesten Vorstellungen an. Das Publikum schüttelt über so viel Irrsinn schmunzelnd den Kopf. Das Publikum amüsiert sich am Kontrast des völlig Unplausiblen, das den Handelnden die bittere Realität zu sein scheint.[8] Das Lachen des Publikums ist freilich gehemmt und gedrückt, denn es sieht die beiden lächerlich Agierenden in ihr Unglück gleiten. Sie stolpern immer wieder über den selben Gegenstand und so in ihr Unglück.
Zwischen Narziss und Echo entspinnt sich ein absurdes „Gespräch“, das schließlich ein böses Ende findet: Echo war Narziss heimlich gefolgt und hält sich versteckt. Sie kann ihn von sich aus nicht ansprechen, sondern muss auf einen Laut warten, auf den sie antworten kann. Narziss fühlt sich beobachtet und ruft schließlich verunsichert ins Dickicht „Ist jemand hier?“, worauf Echo mit erwartungsvollen „Hier!“ antworten kann. Das geht eine Weile hin und her. Seinen Lesern führt Ovid vorm geistigen Auge eine Komödie auf und sie schmunzeln über die scheinbare Plausibilität des kunstvollen Scheindialogs, der die beiden auf Abwege führt. Schließlich, „getäuscht durch den Widerhall der antwortenden Stimme“, fordert Narziss den Unbekannten auf sich zu zeigen und ruft: „Laß uns hier zusammenkommen!“, worauf die überglückliche Echo mit einem lustvollen „[Ja,] zusammenkommen!“ antwortet, aus ihrem Versteck springt und Narziss zu umarmen versucht. Sie glaubt sich dazu ermutigt und es dürfte uns und vor allem die zeitgenössischen Leser Ovids nicht erstaunen, wenn Echo sich auch schon ein wenig „frei gemacht“ hätte. Narziss Aufforderung „huc coeamus“ kann von Echo nämlich wirklich als das langersehnte Zusammenkommen der besonderen Art verstanden werden, dessen Vollzug sich dann coitus nennt.[9] Narziss flüchtet freilich verstört vor den sexuellen Avancen mit „Hände weg … eher will ich sterben als Dir gehören“.
Das Lachen des lesenden Publikums ist Ovid sicher, aber es wird durch das traurige Schicksal von Echo gedrückt. Die Verschmähte verkriecht sich im Wald, die Zurückweisung lässt sie nicht zur Ruhe kommen und zehrt sie aus. Am Ende ist sie nur noch Stimme und Gebein: „die Stimme bleibt, das Gebein soll sich in Stein verwandelt haben. Seitdem ist sie in Wäldern verborgen … Alle können sie hören. In ihr lebt nur der Klang.“[10]
Auch Narziss tragischer Wahn zeigt deutlich komödiantische Züge. Der Versuch, sein Spiegelbild für sich zu gewinnen, ist so absurd, dass wir über seine Ernsthaftigkeit lachen müssten, wenn wir nicht zugleich seine Verzweiflung spürten. Ovid gefällt sich darin, sprachlich und dramaturgisch alles auf gehen zu lassen. Während wir über den Tölpel lachen, leiden wir mit dem Unglücklichen mit. Wir erkennen uns in Narziss wieder. Wir können nachfühlen, was es heißt, sich in eigenwillige Vorstellungen zu versteigen und auf das Scheitern, mit noch größeren Anstrengungen antworten zu wollen. Irren ist menschlich und einmal auf dem falschen Weg, kommen wir nicht ans Ziel, wenn wir schneller laufen.[11] Und so leiden wir lachend mit, wenn Narziss versucht, sein spiegelndes Gegenüber zu küssen: er sieht ihn sich willig zu ihm hin beugen und dann in der Berührung verschwinden.
Der tragische Narziss
Narziss und Echo verkümmern. Sie hungern aus. Narziss ist nicht in der Lage über sich hinauszukommen. „so schwindet er dahin, von Liebe aufgezehrt“, die keine ist. Narziss vergeht an der „Liebe“, zu der er nicht fähig ist.
Die narzissistische Hybris ist ein Teil der tragikkomischen Liebeshändel, in die alle verstrickt sind. Tragisch ist sie, weil die Selbstliebe ohne Liebe, die Narziss ausmacht, zwangsläufig in Verzweiflung und Selbstauslöschung endet. Nicht die unglückliche Liebe ist Narziss Verhängnis. Sein Verhängnis ist, sich zu sich selbst nicht verhalten zu können. Es ist die Nemesis, die sich rächende Wirklichkeit, die Narziss verkümmern lässt. Das narzissistische Vergehen bestraft sich selbst durch das Elend, das es verursacht. Zur Selbsterkenntnis ist er gar nicht fähig. Sich zu sehen ist sein Untergang. Er kann nicht über sich hinausgehen und deshalb auch nicht zu sich selbst zurückkommen. Er gleicht damit König Midas, der sich wünscht, dass alles was er berührt zu Gold wird und daran am Ende verhungert. „Der Reichtum hat mich arm gemacht.“[12] Eine Klage, die sein Dasein wunderbar zum Ausdruck bringt. Narziss ist ein „sehender Blinder“ – alles, was er sieht, macht ihn blind. Er ist in die eigene Welt versunken und seinen Phantasmagorien vollständig ausgeliefert. Nicht einmal zu Freitod ist er in der Lage – dazu müsste er sich „von außen“ sehen: er kann den Tod des Geliebten, den er im Spiegel sieht nicht wollen. Er kann nicht sterben, sondern nur im eigenen Glanz verkümmern, vergehen und verenden.
Exkurs: Dotterblumen lieben sumpfigen Boden
Das ergibt sich aus dem Wesen der Liebe selbst. Die Liebe zu sich selbst, scheint sich allerdings von selbst zu verstehen. Im Gebot, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben, scheint die Selbstliebe als Bedingung aller ethischen und religiösen Verpflichtungen zu gelten. Sie scheint in der Natur von Lebewesen zu gründen und mit ihrem Streben nach Selbsterhaltung verbunden zu sein. Liebe ist freilich keine natürliche Neigung. Dotterblumen „lieben“ nicht sumpfige Böden, sie brauchen sie oder gedeihen dort eben besser. Bei Tieren scheint uns, dass sie ihre Jungen lieben und sich z.B. selbstlos für sie zu opfern bereit sind. Aber gerade weil sie „selbstlos“ sind, also keine selbstbewussten Personen, die sich ausdrücklich auf andere Personen beziehen, sprechen wir von ihrer elterlichen Fürsorge („nur“)[16] metaphorisch. Sie haben kein Verständnis von dem, was sie tun.[13] Ihre Fürsorge unterscheidet sich für sie nicht von anderen Aktivitäten, die sie ebenfalls „selbstverständlich“ oder, besser gesagt, ohne jedes Verständnis tun. Sie lieben ihre Nachkommen so wenig wie sie ihre „Feinde“ hassen, wenn sie sich gegen Bedrohungen wehren.
Das gilt auch für die Selbsterhaltung. Wir sprechen davon als einem Trieb. Das Lebewesen wird zu etwas getrieben, lässt es etwas erstreben: die Nahrung oder den Sexualpartner. Tiere wissen aber nicht um das „Umwillen“ dieses Strebens. Eine Katze fängt und frisst die Maus, weil sie hungrig ist. Sie versteht freilich nicht, was „Hunger“ ist und stillt ihn nicht umwillen der Selbsterhaltung. Erst vernünftige Wesen, die aus der Selbstzentrierung alles Lebens hinaus gehen und über die Wahrnehmung der Anderen auf sich zurückkommen, können sich ihr Nicht-Dasein, ihren Tod, vorstellen: die anderen werden sagen, dass man selbst nicht mehr ist. Von uns „selbst“ können wir nur sprechen, wenn wir uns von den Anderen unterscheiden und das bedeutet uns von ihnen aus betrachten. Wir sind den Anderen ein Anderer und deshalb ein Selbst, das sich auf die Anderen bezieht.
Sich zu lieben, setzt vielmehr die Nächstenliebe voraus! Seinen Nächsten zu lieben, und in gewissem Sinne sind wir uns selbst immer der Nächste,[14] besagt nichts anderes, als ihm etwas Gutes tun zu wollen und zwar weil er unser Nächster ist, also um seiner selbst willen. Das Neue Testament konkretisiert das Gebot der Nächstenliebe auf die Feindesliebe. Den Unsrigen nahezustehen versteht sich von selbst. Aber auch die elterliche Liebe zeigt sich erst dann, wenn sich die Kinder von uns lösen, ihre Lebensführung nicht mit der unsrigen zusammenfällt, sie ihr Leben vielmehr selbst und anders führen als wir. Wenn sie tun, was wir nicht gutheißen, erleben wir, dass wir sie trotzdem lieben und wir ihr Gut zu unserem machen. Am Leben unserer Kinder besinnen wir uns auf unser eigenes und auf das, was uns wirklich wichtig ist in unserem Leben.[15]
Demnächst
Wir wurden gewarnt: Das Glück des Cadmos, das ihm als Gründer Thebens zuteilwurde, trübt sich ein, wenn wir auf seine Nachkommen schauen. Nach dem Tireisias Zwischenspiel werden wir auf Pentheus, einen Enkel des Cadmos treffen, und wir ahnen schon, dass das nicht gut mit ihm endet.
[1] III 349f.: vana diu visa est vox auguris, exitus illam / resque probat letique genus novitasque furoris.
[2] In einem wunderbar dichten Wort heißt es in III 406: adsensit precibus Rhamnusia iustis. In adsentire wird die Zustimmung als gleiche Gefühls- und Wahrnehmungslage zum Ausdruck gebracht: der bittende Mensch und die Götting sehen die Welt gleich. Gesucht wird die Zustimmung für eine flehentliche Bitte (preces), in der ein Fluch und eine Verwünschung steckt, die der Situation gerecht wird und damit gottgefällig ist (iustus).
[3] Ovid (III 407ff.) betont die Reinheit der Quelle und die zauberhafte „Anmutung“ des Ortes.
[4] III 416f.: visae correptus imagine formae / spem sine corpore amat: corpus putat esse, quod unda est
[5] III 464f.: Uror amore mei, … / Quid faciam?
[6] III 465: quod cupio mecum est
[7] III 477f.: quo refugis? remane, nec me, crudelis, amantem / desere! Und vom Bild heißt es (III 479): misero praebere alimenta furori.
[8] Das ist der Stoff von zahllosen Verwechslungskomödien, bei denen die Zuschauer um die Verwechslung wissen, denen die ahnungslos Agierenden folgen und sich in immer abstrusere Situation bugsieren.
[9] Coitus als PPP von coire, das dann substantiiert zum coitus wird.
[10] III 399ff.: vox manet; ossa ferunt lapidis traxisse figuram. / inde latet silvis … / omnibus auditur: sonus est, qui vivit in illa.
[11] Wenn der Lockdown nichts bringt, dann verschärfen wir ihn einfach.
[12] III 466: inopem me copia fecit
[13] Alles Streben lebendiger Wesen zielt auf ein Gut, aber nicht alle verstehen das, wonach sie streben als „gut“. Das können nur vernünftige Wesen, die sich auf das Umwillen ihres Strebens besinnen. Narziss kann sich nichts Gutes tun oder sein Leben führen, er kann nur sein. Er ist selbstzentriert und kann sich nicht zu sich selbst verhalten.
[14] Das Naheliegende ist freilich das schwer zu erkennende. Worauf wir stehen, können wir in der Regel nicht sehen. Dass ich mir – und in welchem Sinne – der Nächste bin, versteht sich aus der Anerkennung, dass wir alle uns die Nächsten sind: Der Nächste meines Nächsten bin ich.
[15] Kant unterschied die Neigung, etwas zu tun, von der Verpflichtung, die wir darin sehen. Jemanden zu helfen, weil einem einfach danach ist und man gar nicht anders kann, mag uns wünschenswert erscheinen, ist aber von dem Umstand abhängig, dass wir uns in dieser Verfassung befinden. Eine vernünftige Entscheidung, auf die wir uns und andere verpflichten können, wird die Hilfeleistung nur, wenn wir Gründe anführen können. Eine Pflicht zeichnet sich dadurch aus, dass auch dann richtig gehandelt wird, wenn wir dazu gar nicht geneigt sind. Wenn wir etwas aus guten Gründen tun, zu dem wir nicht geneigt oder gar abgeneigt sind, handeln wir moralisch. Als moralische Wesen erfahren wir uns nur im Konflikt. Narzisstisch veranlagte Personen verhalten sich auch dann nicht moralisch, wenn sie tun, was wir uns von ihnen wünschen, sie es aber um ihrer selbst willen tun. Gut handelt nicht, wer mit seinem Handeln nur der Strafe entgehen will, traditionell der göttlichen Bestrafung in der Hölle.
[16] Ein treuer Leser hat das „nur“ mit guten Gründen kritisiert (siehe Kommentar). Deshalb wird es hier eingeklammert.
Absolut überzeugend: das „nur“ kommt weg. Ich lasse es eingeklammert stehen – um die Korrektur sichtbar zu machen.