Für die letzten Punks …

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Na ja, wenn’s keine „große Platten“ mehr gibt, dann eben solche. Es mochten ihn noch nie alle. Und das ist sehr geschönt. Die Blöden mochten ihn sowieso nicht. Aber die Klügsten fühlten sich – wohl nicht zu Unrecht – auch genervt. Und nerven kann Thees Uhlmann. Nicht erst jetzt, schon zu seiner großen Zeit mit Tomte hat er das bei vielen geschafft.

Viele haben ihn also nicht vermisst. Ich auch nicht. Jetzt ist er nach längerer Zeit zurück. Dazu gibt’s natürlich gleich einen Song („Fünf Jahre nicht gesungen“), den ersten auf seiner neuen Platte: „Junkies und Scientologen„. Tocotronic hat 1995 mit „Jetzt geht wieder alles von vorne los“ für solche Come Backs einen maßgebenden Song gemacht. Thees Uhlmann sieht selbst: „Ich habe alles versucht, es hat nicht gereicht“. Er gefällt sich darin. Und schreibt dann Zeilen wie diese: „Es ist egal wie’s mir geht, auf meinem Grabstein steht: gestorben um 19 Uhr 10.“ Und das ist dann auch wieder gut.

„Grundehrlich“ heißt es nun, sei seine neue Platte. Und das sagt man ja meist, wenn einem sonst gar nichts mehr anderes einfällt. „Ehrliche“ Texte wollte er immer schon schreiben, Texte, die so ungekünstelt und echt sein wollten, dass sie dafür unglaublich gekünstelt klingen müssen, um das Gefühl der absoluten Ehrlichkeit zu geben. Es ist immer die Geste des Authentischen, die er zur Schau trägt und zugleich ablehnt, wieso er sich mit Gesten des Authentischen gegen die Gesten des Authentischen auflehnt. Man muss bei ihm immer nachsichtig (mehrfach) um die Ecke denken. Natürlich ist er für St. Pauli, den FC. Er steht in der Fankurve, aber er steht da nicht als „Liedermacher“, der sich mit St. Pauli, dem FC, identifiziert, weil St. Pauli St. Pauli ist, sondern weil St. Pauli St. Pauli ist. St. Pauli nicht der Kultur wegen, sondern wegen der Kultur?! Das ist unverständlich? Das nenn’ ich reif für Thees Uhlmann.

Thees Uhlmann singt jetzt über Dinge, über die ich noch nie nachdachte. Über Stephen King z.B. („Danke für die Angst“). Ich hasse Stephen King und hab’ ihn nie gelesen. Thees Uhlmann weiß alles was er „übers Leben weiß“ aus „Stand by Me“: „Und Wenn Du nicht mehr weiterweißt, frag’ Stephen King.

Ich kannte auch Avicii nicht. Aber jetzt nach „Avicii“ fänd’ ich Avicii auch gerne ganz gut. Das „ist sicherlich nicht schwierig zu kapieren„, aber „elektronische Musik kann man sich selten schön trinken„. Und nach „Was wird aus Hannover“ frag ich mich auch, was wenn wir „wie Hannover sind„?

Ich werde diese Platte wahrscheinlich nicht so oft hören. Und wenn dann doch, werde ich mich bei den doch recht mittelmäßigen Songs fragen: „Aber da waren doch richtige gute Songs drauf?!“ Stimmt, werde ich mir dann sagen, „Danke für die Angst“, „Avicii“ und „Was wird aus Hannover“ fand ich damals ganz gut. Und „Katy Grayson Perry“ eigentlich auch.

Und in den schlechteren Songs gibt’s immer noch Zeilen und Melodiefetzen, die ich hinreißend finde. Den Titelsong „Junkies und Scientologen“ denk ich, brauch’ ich nicht, ich find’ ihn eher nervig. Dann gibt’s aber doch Zeilen wie diese, die so Uhlmannsch sind, so peinlich Echtheit heischend, dass sie wirklich unglaublich echt wirken: „Aber die Zukunft ist ungeschrieben, die Zukunft ist so schön vakant, und ich komme Dich besuchen, egal ob Stammheim oder Bundeskanzleramt„. Er singt „für die letzten Punks und für die letzten Mods, für die Abende bis zum Morgengrauen vor dem alten Molotov„. Und er singt sie so, dass man sie durchaus mitsingen möchte, wenn man sie nur so schräg wie er singen könnte.

Und bei den (drei, vier) Songs, bei denen ich schon mitgerissen wurde, bevor ich groß überlegen konnte, ob ich sie gut finden soll, gibt’s noch so viel Peinliches, dass man sich schnell distanzieren möchte. Thees Uhlmann halt. Und man kann ihm nicht vorwerfen, dass er nicht mehr der Alte ist. Wenn wir bei Jochen Distelmeyer und Marcus Wiebusch genau das so schwer verzeihlich finden (hier war die Fallhöhe freilich auch um einiges höher!), dann sollten wir bei Thees Uhlmann auch mal ein paar schwer erträglich „grundehrliche“ Selbstoffenbarungen ertragen.

Zum Konzert, das im Dezember in Erlangen angesetzt ist, würde ich dann vielleicht schon „nochmal“ (?!) gehen. Zu Tomte Zeiten fiel mir bei einem Konzert mal eine vor mir tanzende schöne junge Frau ohnmächtig in die Arme. Also Thees Uhlmann sing’ uns nochmal in die Ohnmacht, in die wir zwischen Zu- und Abneigung zu diesen Songs fallen. „Kommst Du mit mir mit zur letzten Rock’n’Roll Show der Welt“? Hmm, mal gucken.

Die Links dieser Seite wurden zuletzt am 03.10.2019 überprüft.


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