Die Weltwoche ist wohl keine linke Wochenzeitschrift. Man wird sie eher als konservativ bezeichnen müssen. Schweizerisch konservativ und also konservativer als konservativ – Sie wissen schon, was ich meine. Aber neuerdings schreibt für sie auch Oskar Lafontaine, dem Die Linke zu rechts ist und der sich nicht gerade den Neocons zurechnen dürfte. Lechts und Rinks scheint sich seit der Pandemie der Gutwilligen und Solidarischen nicht mehr wie gewohnt ausbuchstabieren zu lassen.
Die Weltwoche war mir immer wieder durch kritische Berichterstattung zu den Corona-Maßnahmen aufgefallen. Auch zum Krieg in der Ukraine konnte man dort andere Stimmen hören. Sie lässt viele Stimmen zu Wort kommen und bildet Kontroversen ab, indem den kontroversen Positionen gleichermaßen Raum gibt. Also hab ich das Angebot eines Probe-Abos mal angenommen. Und dabei hat sich bestätigt, dass jede Weltwoche immer ein paar Artikel liefert, die einem sonst eher nicht begegnen.
So auch in dieser Weltwoche (28/2023), in der sich ein Artikel von Helmut Scheben zu Zauberkünstler und Taschenspieler, Wie ich das Vertrauen in die etablierten Medien verlor findet. Selbst ein Mann dieser „etablierten Medien“ (und nicht gerade ein „Rechter“) zeigt Helmut Scheben sich von diesen enttäuscht und betrogen: „Die großen Medien, sowohl die gebührenfinanzierten wie die der privaten Konzerne, haben in allen Kriegen, die ich beobachten konnte, krachend versagt.“ Helmut Scheben resümiert die kriegstreibenden und -verherrlichenden Lügen, die inzwischen allesamt als solche überführt wurden – von Vietnam, Kosovo, Libyen, Irak und Syrien bis zu Afghanistan. Über vieles wurde auch hier auf PzZ schon berichtet. Und doch ist es immer wieder erschreckend daran erinnert zu werden. Wussten Sie z.B. daß „seit dem Golfkrieg von 1991[…] den Medien in den USA verboten [war], Bilder von Särgen toter US-Soldaten zu zeigen“? Die europäischen Medien übernahmen das willfährig. Nun werden die ukrainischen Opfer der russischen Kriegsführung gezeigt, die Opfer der ukrainischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Donezk und Luhansk werden freilich unterschlagen – immerhin von 2014 bis 2022 14.000. Ob es uns gefällt oder nicht, es gibt eine vergleichsweise (!) rege Diskussion der russischen Social Media über die russische „Spezialoperation“. Zehn Jahre Gefängnis fürs Denken titelte die Neue Züricher Zeitung (6. Juni 2023) und wollte damit auf die politische Zensur in Russland aufmerksam machen. In der Ukraine freilich „sind oppositionelle Medien schlicht verboten“. Davon liest und hört man in den westlichen Medien nichts. Es wird eher Verständnis gezeigt. Im Tages-Anzeiger (28.7.2022) heißt es dazu, dass seit Kriegsbeginn – gleichsam kriegsbedingt – ein „Gemeinschaftsprogramm“ gesendet wird. „Gemeinschaftsprogramm? Das tönt schon fast wie gemeinnützige Arbeit“ kommentiert Helmut Scheben ganz treffend. Dem entsprechend wurden in der EU die russischen Sender verboten und die Nutzung z.B. in Österreich unter Strafe gestellt. Man muss RT oder Sputnik nicht gut finden und kann sie natürlich kritisieren. Es ist aber schon erstaunlich, dass ihr Verbot keinerlei bürgerrechtlichen Bedenken hervorzurufen scheint. Man hat offenbar doch große Sorge, dass andere Nachrichten den „mündigen Bürger“ verunsichern könnten. Er soll z.B. nichts davon hören, dass im März/April 2022 ein Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland ausgehandelt wurde, der z.B. einen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine vorsah, der dann aber auf Intervention von Großbritannien und den USA geplatzt ist.
Angesichts dieser eklatanten „Ausfälle“ umfassender Berichterstattung durch die „Qualitätsmedien“ warnt Helmut Scheben dennoch davor, von „Lügenpresse“ zu sprechen. Die Desinformation hat eher strukturelle Ursachen: „Ich habe in meinem ganzen Leben kaum Medienleute getroffen, die fälschen oder unredlich berichten wollen. Die Leute lügen nicht …“, aber: „ein Nachrichtenapparat, der stark zerkleinerte Bruchstücke von Ereignissen produziert, kann keine Zusammenhänge und Hintergründe liefern, selbst wenn wohlgesinnte Journalistinnen und Journalisten dies wollten“. Und dennoch gilt: „Mir ist unverständlich, wie Journalisten, die so oft von Regierungen belogen wurden, weiterhin die politischen Vorgaben von oben verbreiten, als seien es die Tafeln der Zehn Gebote.“
Dem kann ich nichts mehr hinzufügen: einfach Helmut Scheben selbst lesen – entweder hier oder hier.