„Wenn der Titel nach Horror klingt …“

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Der Buchtitel lässt schon Schlimmstes erwarten: Elternabend, oh weh. Diese Art von Veranstaltung rangiert für halbwegs normale Menschen irgendwo zwischen Wurzelbehandlung und Waterboarding (eines der Dinge, die aus lange zurückliegenden Schuljahren noch sehr präsent ist: das Jean-Paul Sartre Zitat „Die Hölle – das sind die Anderen“). Dieses Insider-Wissen (und meine geschlagener-Hund-Körpersprache nach einer Sitzung) dürfte meine nunmehr 16jährige Tochter dazu inspiriert haben, mir ein Exemplar als Geburtstagsgeschenk zu vermachen.
Sebastian Fitzek auf der Leipziger Buchmesse 2017
Es ist mein erstes Fitzek-Buch, obwohl ihn der Klappentext mit weltweit 15 Millionen verkauften Büchern als Deutschlands erfolgreichsten Autor ausweist. (Fun Fact: die auflagenstärkste überregionale deutsche Wochenzeitung ist übrigens nicht die BamS [580K], sondern das Apothekenmagazin [1Mio]). Die Haupthandlung wird wie folgend zusammengefasst:

Sascha Nebel hat sich zur falschen Zeit am falschen Ort das falsche Auto (*) für einen Diebstahl aussucht: Kaum hat er den SUV seiner Wahl gestartet, zieht eine Horde demonstrierender Klimaaktivisten vorbei, allen voran eine junge Frau, die die Luxuskarosse mit einer Baseballkeule demoliert.

Als die Polizei erscheint, ergreifen Sascha und die Unbekannte die Flucht – und platzen in den Elternabend einer 5. Klasse. Um die Nacht nicht auf dem Revier zu verbringen, bleibt ihnen nur, in die Rollen von Christin und Lutz Schmolke zu schlüpfen, den Eltern des elfjährigen Hector, die bislang jede Schulveranstaltung versäumten.

Zwei wildfremde Menschen, zwischen denen kaum größeres Streitpotential herrschen könnte, geben sich als Vater und Mutter eines ihnen völlig unbekannten Kindes aus. Dabei ist die Tatsache, dass Hector der größte Rüpel der Schule ist, sehr schnell ihr kleinstes Problem…

Und so nimmt das Geschehen seinen Lauf. Sascha tauft die unbekannte Abwrackhelferin „Wilma“ (nach den Feuersteins) und wir lernen in der Folge diverse unterhaltsame Nebenfiguren kennen: Die Berliner Busfahrerin Hilde „Bis Danzig, auf Wiederhörnchen“ bzw. „Aber jetzt mal locker durch die Hose atmen, bis wir für die Nacht uff der Insel sind. Bis Denver. Ende Gelände.“ Den Tschetschenen-Paten Grosny-Mario mit seiner Schlangentätowierung am Hals oder den Polizeimeisteranwärter und Intelligenzamöbe Torsten Tratto, der seinen Vorgesetzten an der Evolutionstheorie zweifeln lässt. Alles etwas bemüht überspannt, aber unterhaltsam. Sascha und Wilma kabbeln sich, spielen jedoch ihre Rolle mit. Auf Seite 80 beginnt endlich der titelgebende *Elternabend*. Wie im richtigen Leben wird das Tempo in der Interaktion Lehrkörper und Eltern nochmal ein paar Gänge hochgetrieben und der Wahnsinn weidlich ausgekostet. (Gut, dass ich durch meine Tochter bereits mit dem Ballermann-Hit von Mickie Krause „Geh mal Bier holen. Du wirst schon wieder hässlich.“ vertraut gemacht wurde). Dies geht munter bis zur Mitte des Buches bis langsam, aber merklich ein „turning point“ erreicht ist: die Rahmenhandlung bleibt zwar weiter nicht bierernst, aber die sich zwiebelschalen-artig entspinnenden dahinterliegenden Motive schon. Und der Abwärtsstrudel nimmt an Fahrt auf: es entspinnen sich mehrere Schicksalsstränge, die im Lauf der Ereignisse miteinander verwoben sind. Und zwar so, dass man nach dem Ende das Buch in die Hand nimmt und noch ein zweites Mal liest! Dann auch mit dem Hinweistext am Eingang, dass es im Kern eine humorvolle Geschichte sei, aber dennoch ernste Themen wie Suizid, Mobbing und Depressionen bei Schulkindern behandelt werden und mit dem Zitat endet „Die verborgene Quelle des Humors ist nicht die Freude, sondern Kummer“. (Fun Fact: der geniale Künstlername „Mark Twain“ stand bei den Mississippi-Schiffern für „zwei Faden tief“, was die Grenze war, ab der es gefährlich wurde). Und die Moral von der Geschicht’? Die Erfüllung von Hoffnung kann überall lauern, es gibt sie. Gebrauchsanleitungen kann man auch mal lesen. Die Tatsache, dass das Buch in den Verkaufslisten ganz vorne rangiert, ist nach meiner Ansicht vollkommen gerechtfertigt.
(*) Mit diesem Intro spielt der Autor den Haupt-Protagonisten direkt in mein Herz – ähnelt es doch frappierend der Charakterisierung meines cineastischen Alter Ego‘s (aber dazu mehr an anderer Stelle). Vor dem fulminanten Start wird schließlich eine Hinweis-Seite eingeschoben, der man Beachtung schenken könnte – aber, ernsthaft – wer liest schon Gebrauchsanleitungen?

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