Auch Kakanien hat seine Flüchtlinge. Stellen wir uns eine sechszehn-, siebzehnjährige vor, die, von einem Verführer geschwängert, nun von ihrer Familie – na meist nur von den Herren der Familie – verstoßen wird und in mittelhochdeutschem Sinne eine „elende“ ist, nämlich heimatlos und bitter arm. „Sie war bettelnd auf den Knien gelegen, und die Scham hatte ihr das Herz gewürgt“ und schließlich hatte sie „bei fremden Leuten gebären müssen und dann das Land verlassen“. Sie war ins politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Kakaniens geflohen, in die reiche Hauptstadt. Von der großen Politik hatte sie keine Ahnung und von der Kultur gleich gar nicht, aber als sie „leergeweint“ die Hauptstadt erreichte, fühlte sie sich im Zentrum und alles schien ihr bedeutend um sie herum. Wenn sie es hier „schaffen“ könnte, dann konnte sie ihrem Zorn eine Heimat geben. Sie wird schließlich – durch glückliche Umstände – als Hausbedienstete aufgenommen. Das ist eine Win-Win-Situation. Die „Flüchtige“ ist in voller Dankbarkeit und Ehrerbietung, ganz überwältigt von der kakanischen Pracht und spürbaren Bedeutsamkeit, in tiefer Bewunderung ob der ganz anderen Welt des beinahe beiläufigen Reichtums. Die Hausherrin findet es ihrerseits schön, eine bereitwillige Mitstreiterin gefunden zu haben, die – das scheint ihr selbstverständlich – ihrer fremden Heimat entflohen und zu ihr ins Herz Kakaniens gekommen ist, um sich hier und für sie nützlich zu machen.
Die Flüchtige verehrt – und zwar in einem ganz wörtlichen Sinne, „wo die übertragene Ehre einen Menschen dermaßen durchdringt, daß er bis ins Innerste von ihr erfüllt und geradezu von seinem eigenen Platz in sich weggedrängt wird“. Ver-ehrung in diesem Sinne ent-wirklicht, macht die „verehrte“ Person zu einer verdrehten, die sich in der Ver-ehrung auflöst. Und natürlich weiß die Flüchtige, dass das große Leben der Hauptstadt nur ein Oberflächengeschehen ist. Sie weiß, wie das Leben tut, und wie kakanische Parallelaktionen, denen sie sich völlig ergeben weiß, Parallelaktionen zum Leben sind, in denen es Vertriebene gibt, die ihre Kinder auf andere Weise zu lieben gezwungen sind. Das Leben der Kakanischen Hauptstadt nur Oberflächengeschehen zu nennen ist natürlich falsch. Es herrscht von der Oberfläche in die Tiefe. Es bestimmt alles in seiner kakanischen Maskerade – mit Regenbogenbinden, Transgendergeschwafel oder sonstigen „Wir stehen zusammen“ Parallelaktionen. Das Leben der Hauptstadt Kakaniens ist eine Lüge, in der es den Flüchtigen leidlich gut gehen kann, wenn sie sich integrieren.