Michael Sandel ist ein politischer Philosoph, der über die Fachgrenzen hinaus viel Aufmerksamkeit für seine Sache gewonnen hat. Vor allem die Video-Aufzeichnung seiner Harvard-Vorlesung über „Justice“ wurde millionenfach aufgerufen. Welcher professionelle Philosoph kann das für sich reklamieren. Sandel ist einfach einnehmend, verständlich und zugänglich. Er adressiert die richtigen Fragen und zeigt sie in ihrem weiteren philosophischen Zusammenhang.[1] Und dabei ist er kein „Popularphilosoph“. Er lehrt immerhin in Harvard und hat die Diskussion der politischen Philosophie seit den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts wesentlich mitbestimmt. Er ist ein Vertreter des sogenannten Kommunitarismus, dort vielleicht nicht der „entscheidende“ Kopf – da würde ich eher Alaisdair MacIntyre oder Charles Taylor nennen – aber sagen wir mal sein „politischer“ Ausleger.
Gemeinwohl
Mit seinem Buch „Liberalism and the Limits of Justice“ hatte er 1982 John Rawls wirkungsmächtige „Theorie der Gerechtigkeit“ (1971) kritisiert – eine Theorie der Gerechtigkeit, die sich (ausschließlich) auf „formale“ Regeln der Verständigung zu stützen sucht, um gesellschaftliche Konflikte zu lösen. Demgegenüber geht der Kommunitarismus – sehr vereinfacht formuliert – von materialen Wertvorstellungen aus, die eine communitas bestimmen und die für das, was wir unter persönlicher Freiheit und dem gesellschaftlichen Gemeinwohl verstehen, grundlegend sind. Gemeinwohl bestimmt die Gerechtigkeit, das materiale Gute (the good) ist für die Richtigkeit der Normen (the right) maßgebend. Von den „Liberalen“ – im amerikanischen Sinne die „demokratische“ Linke –, die an Rousseau, Kant und dem Utilitarismus anknüpften, wurde der Kommunitarismus schnell als konservativ und „republikanisch“ abgetan, weil er Aristoteles, Hegel und den amerikanischen Pragmatismus in die Diskussion zurückbrachte.[2] Dass diese links/rechts Zuschreibung ziemlich windschief ist, zeigt sich nicht nur daran, dass zu den kommunitaristischen „Vorläufern“ neben Hegel eben auch Marx zählt und der „Liberalismus“ andererseits seinen „neoliberalen“ Wirtschaftsflügel hat und unter „Gerechtigkeit“ nicht selten die „Freiheit des Marktes“ versteht. Ich bekenne, dass ich – vor allem unter dem Einfluss MacIntyres – wohl eher dem kommunitaristischen Lager zuzurechnen wäre, wäre die alteuropäische „continental philosophy“ nicht eh’ dem amerikanischen Branding enthoben (LOL).
„Ende des Gemeinwohls“
Jetzt greift Sandel mit seinem Buch „Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt“ (2020) wieder in die aktuelle politische Diskussion ein, die von Globalisierung und Populismus geprägt ist. Er sieht mit dem Aufstieg populistisch[3], autokratischer Parteien „unsere Demokratien“ in einer Zerreißprobe. Sandel untersucht das natürlich vor allem aus amerikanischer Perspektive und arbeitet sich am Phänomen Trump ab – aber er bezieht nicht zu Unrecht die anderen GröFaZe mit ein, die Erdogans, Orbans, Le Pens, die AfD und die Brexiteers. Ihren „Aufstieg“ sieht er durch drei Dinge begründet, die ans Eingemachte einer „gerechten“ Gesellschaft gehen.
Ungleichheit (I)
Sandel ist kein marxistischer Theoretiker und vermutlich kein Sozialist. Aber er benennt eine Entwicklung der steigenden Ungleichverteilung, die ihres Gleichen sucht. Die Globalisierung lässt die Realeinkommen der bereits überdurchschnittlich verdienenden weiter steigen, während die der unteren Einkommensschichten stagnieren oder sinken. In den USA ist „das Einkommen des reichsten Prozents der Bevölkerung … höher als das der unteren Hälfte zusammengenommen“.[4]
„Von jeden 100 Dollar des Nationaleinkommens erhalten die reichsten 20 Prozent 62 Dollar, die ärmsten 20 Prozent dagegen nur 1,70 Dollar. Würde man das gesamte Einkommen der untersten Hälfte der Gesellschaft in einen Topf werfen, ergäbe das nur 12,50 Dollar.“
Die Rede ist hier vom Einkommen – beim Vermögen sind die Unterschiede noch viel größer!
Ideologie der Leistung (II)
Der Ungleichverteilung bei Einkommen und Vermögen entspricht auch die Chancenungleichheit. Die die vielbeschworene „upward mobility“ hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert, im Gegenteil. „Der amerikanische Glaube, mit harter Arbeit und Talent könne jeder aufsteigen, stimmt nicht mehr mit den Grundtatsachen überein. … Soziale Mobilität kann Ungleichheit nicht mehr kompensieren.“ Dennoch hält die Politik an dem Dogma fest, dass man es durch eigene Leistung schaffen kann und wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolg von der Leistung(sbereitschaft) abhängen solle. Dabei spielt „Bildung“, also akademischen Bildung eine große Rolle. Sandel beginnt – wie auch in seinen früheren Büchern – seine Untersuchung mit einem exemplarischen Fall. 2019 erschütterte ein Betrug das „akademische“ Amerika und führte bei rechts und links gleichermaßen zu wütender Empörung. Eine „Agentur“ hatte gegen fürstliche Bezahlung den Zugang zu heißbegehrten Plätzen an Elite-Universitäten ergaunert. Ein Abschluss in Harvard, Yale, Princeton, Berkeley oder Stanford führt mit großer Sicherheit zu einem „Spitzenjob“ und großer Anerkennung. Pro „Vermittlung“ wurden von den besorgten Eltern für einen Platz mehrere hunderttausende Dollar aufgebracht. Eine Familie bezahlte 1,2 Millionen Dollar, damit die Tochter einen Platz in Yale bekam. Sandel weißt zurecht darauf hin, dass es jenseits dieser offensichtlichen Betrugsfälle eine durchaus geübte Praxis ist, für den eigenen Nachwuchs die Hintertür von Universitäten durch großzügige Spenden, millionenschweres Sponsoring von Forschungsaufträgen oder Baumaßnahmen zu öffnen. Was Sandel daran besonders interessiert ist freilich nicht der Betrug selbst, sondern das Motiv für ihn. Wer für seine Tochter mehr als eine Million Dollar nur für den Zulassung aufbringen kann (von den eigentlichen Studienkosten zu schweigen), nur damit sie sich dann vier Jahre durch eine Ausbildung an einer Elite-Universität kämpft, der hätte ihr ganz ohne Anstrengung vermutlich ein sorgenfreies Leben durch Einrichtung eines Fonds sichern können. „Zwei Drittel der Studenten in Harvard und Stanford stammen aus dem obersten Fünftel der Einkommensskala.“ Die Mehrheit der Studenten stammt aus dem obersten ein Prozent, die insgesamt mehr Einkommen hat als die zweite Hälfte der Bevölkerung im Ganzen.
Es ist offenbar ein „ideologischer“ Anspruch und der Versuch, den eigenen Reichtum über Leistung zu rechtfertigen. Philosophisch, gesellschaftstheoretisch geht dieser Versuch schief. Sandel weißt schön nach, dass die Rechtfertigung von wirtschaftlichem Erfolg nicht über Leistung gelingen kann und bezieht sich dabei ausdrücklich auf Vertreter der Entfesselung der liberalen Marktwirtschaft wie z.B. Friedrich A. Hayek (Kapitel 5).
Der Markt belohnt keine Anstrengungen, sondern marktkonforme Bereitstellung der gewünschten Güter. Gelingt sie einem „Talentierten“ mit Leichtigkeit oder schlicht durch Zufall und günstigen Umständen, dann ist das Gut nicht weniger „wert“. Und der Markt, ist nicht in der Lage, alle Gemeinwohl-Güter bereitzustellen. Eine Bepreisung der Güter führt zu ihrem Verlust, ihrer „Entwertung“. Sandel hatte 2012 mit Was man für Geld nicht kaufen kann „die moralischen Grenzen des Marktes“ (so der Untertitel) liegen. Talente wiederum sind keine zuschreibbaren Leistungen und haben per se keinen Marktwert: das Talent zum Armdrücken verschafft kein Einkommen – anders als das zum Werfen eines Basketballs in einen Korb – und Talente, die im Florenz des 14. Jahrhunderts von großem Nutzen waren, sind heute nicht durchgängig verwendbar et vice versa.
Aber nehmen wir an, dass Chancengerechtigkeit besser (oder weitgehend) umgesetzt werden könnte. Wäre eine „chancengerechte“ Leistungsgesellschaft gerecht? Sandels Antwort ist: nein. Chancengerechtigkeit wäre allenfalls eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung. Die gleiche Chance sich zu bereichern macht weder das Bestreben dazu noch das Gemeinwesen gerecht. Und was als Leistung gelten darf, ist abhängig von dem, was als Gemeinwohl verstanden wird. Gerecht ist danach eine Gesellschaft nur dann, wenn sie sich am Gemeinwohl orientiert und diese Ausrichtung als Maßstab für den Beitrag der Einzelnen setzt.
Verbitterung (III)
Diese Ausrichtung am Gemeinwohl korrodiert unter dem Diktat der Leistungsgesellschaft. Insbesondere dann, wenn Leistung vor allem als „technokratische“ Leistung verstanden wird, die sich in einen hohen Bildungsgrad darstellt. „What you can earn depends on what you learn.“ Der verzweifelte Versuch den eigenen Reichtum durch die Ausbildung an Elite-Universitäten zu legitimieren, ist zugleich eine „Entwertung“ der Ausbildung. Sie bekommt einen „technokratischen“ Sinn.
Die Globalisierung und Entfesselung der Finanzmärkte haben nicht zuletzt zu einer „Entwertung“ dessen geführt, was große Teile der Bevölkerung zum Gemeinwohl beitragen. Immer größere Teile des Reichtums werden durch von der Real-Wirtschaft abgelöste Finanzspekulationen erzielt, die mehr einer Lotterie als einer wertschöpfenden Tätigkeit gleichen. „Arbeit“ und damit der Großteil der (wurden) Bevölkerung wurden damit ins Abseits gestellt. Ihr Beitrag zum Gemeinwohl wurde durch die Macht der entfesselten Finanz- und Warenströme „abgewertet“. Er spricht sogar von einer „Politik der Demütigung“, die sich nun populistisch entlädt.[5] Der Ärger der durch Populisten aktivierten Bevölkerungsschichten beziehe sich auf „die verlorene Anerkennung und Wertschätzung“.[6] „Die Art, in der eine Gesellschaft Arbeit würdigt und belohnt, ist entscheidend dafür, wie sie das Gemeinwohl definiert.“ Und Sandel sieht die aktuellen Krisen nicht zuletzt in einer „Krise der Anerkennung“[7] begründet.
„Die meritokratische Überheblichkeit spiegelt die Neigung der Gewinner wider, ihren Erfolg zu tief in sich einzusaugen und das Glück und die günstigen Umstände zu vergessen, die ihnen auf ihrem Weg geholfen haben.“[8] Nach Hayek verschlimmert die Vorstellung, Ungleichheiten seien ein Spiegel der Leistung, noch die Sache. „Eine Gesellschaft, in der es die allgemeine Ansicht wäre, dass ein hohes Einkommen ein Beweis von Verdienst und ein niedriges Einkommen der Beweis seines Fehlens ist … wäre wahrscheinlich für die Erfolglosen viel unerträglicher als eine Gesellschaft, in der es offen anerkannt wird, dass zwischen Verdienst und Erfolg kein notwendiger Zusammenhang besteht.“[9]
Wusste die arbeitende Bevölkerung in alten Zeiten, dass es nicht an ihnen, sondern den Bedingungen lag, sich nicht wie die „Eliten“ entwickeln zu können, so zerstört „The Tyranny of Merit“, so der englische Originaltitel, dieses Bild. Der Schwache ist nun an seiner Schwachheit selbst schuld – er ist eben leistungsschwach, ein low performer, der der Führung und Fürsorge technokratischer Eliten bedarf.
Sandel spricht von „Tyrannei“. Das ist ein starkes Wort, das Sandel in Interviews nicht abschwächen will. Ist es nicht gut, von gut ausgebildeten Eliten (demokratisch) regiert zu werden? Sandel antwortet zurückhaltend: „it depends“ und zwar hängt es davon ab, wie und wozu sie ausgebildet wurden und worauf sie sich ausrichten. Aufs Gemeinwohl oder auf den Dämon Leistung. Die Leistung der Eliten der Elite-Universitäten wird von Sandel nicht besonders gewürdigt. Sie „haben uns … vier Jahrzehnte stagnierender Löhne für die meisten Arbeiter beschert, Ungleichheiten der Einkommen und des Wohlstands wie man sie seit den 1920ern nicht mehr gesehen hat, den Irakkrieg, einen 19 Jahre dauernden, ergebnislosen Krieg in Afghanistan, die Deregulierung der Finanzmärkte, die Finanzkrise von 2008, eine zerbröselnde Infrastruktur, die höchste Rate an Gefängnisinsassen weltweit und ein System von Wahlkampffinanzierung und manipulierbaren Wahlbezirksgrenzen, das aus der Demokratie eine Farce macht.“[10] Wir müssten wohl die verschärfte Klima-Krise, das Scheitern beim Bekämpfen von Massenarmut und Hunger in der sogenannten „Dritten Welt“ und manch anderes noch hinzufügen.
Würde der Arbeit
Ein am Gemeinwohl ausgerichtetes Wirtschaften müsse die „Arbeit“ der breiten Bevölkerung als Grundlage für ein florierendes, demokratisches Gemeinwesen wieder anerkennen und würdigen. Die entfesselten Märkte müssen am Gemeinwohl ausgerichtet und der Beitrag der Einzelnen als solcher gewertschätzt werden. Sandel „will aber vor allem darauf hinaus, dass die Würde der Arbeit nur erneuert werden kann, wenn wir über die moralischen Fragen debattieren, die unserer Wirtschaftsordnung zugrunde liegen – Fragen, die von der technokratischen Politik der letzten Jahrzehnte verdeckt worden sind…. In den vergangenen vier Jahrzehnten haben die marktgetriebene Globalisierung und die meritokratische Vorstellung vom Erfolg diese moralischen Bindungen aufgelöst.“ (S. 352f) Sandel zitiert Martin Luther King: „Jede Arbeit besitzt Würde“ und sieht auch in Papst Johannes Paul II mit seiner Enzyklika Laborum exercens einen Verbündeten, da sie den Menschen sich in seiner Arbeit verwirklichen sieht und in ihr „gewissermaßen ’mehr Mensch’“ werde.
Wirkliche Verantwortung
Das klingt in meinen Ohren wie ein (unhistorischer) Populär-Marxismus.[11] Nicht jede Tätigkeit ist Arbeit. Von Trauer- oder Liebesarbeit z.B. zu reden, wie das heute üblich geworden ist, kommt mir ziemlich merkwürdig vor. Diesen Fehler begeht Sandel freilich nicht. Traditionell sind vor allem Herstellen (ποίησις ) und Handeln (πρᾶξις ) von Arbeiten im engeren Sinne unterschieden worden. Vor allem das (politische) Handeln zeichnet sich durch die Übernahme von Verantwortung mit Blick auf gemeinsam geteilte Güter aus. Mir scheint das ein Ansatzpunkt, der über die Analyse Sandels hinausweist und aus kommunitaristischer Perspektive fast naheliegender. Bei politischen Entscheidungen oder Entscheidungen der Verwaltung liegen oft keine echte Verantwortung vor. Gleiches gilt für die Wahlentscheidung des Wählers, die meist – zumindest alles, was die kommunale Ebene überschreitet – nur medial aufbereitet vergegenwärtigen kann. Brexit ist eine Entscheidung, die kaum einer der Brexiteers wirklich zu überschauen vermag und sich letztendlich als Protest gegen „technokratische“ Eliten versteht. Michael Gove, der selbst einer der (elitären) „Technokraten“ zum Brexit rief, brachte die Stimmung wohl ganz gut (und Trump like) auf den Punkt: „Die Menschen in diesem Land haben genug von Experten.“ Im Kreuz auf dem Wahlzettel entlädt sich, was sich im wirklichen Leben an Verzweiflung aufgestaut hat.
Man könnte vielleicht in Anlehnung an die Unterscheidung von Realwirtschaft und Finanzspekulationslotterien von echter, beteiligter Verantwortung und delegierter Scheinverantwortung sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass z.B. in einer Genossenschaft, deren Mitglieder alle direkt als Teil ihres Gemeinschaftslebens am gemeinsam Gut ausgerichtet sind, Entscheidungen wie die des Brexits getroffen werden, erscheint mir sehr gering. Entscheidungen werden dort (idealer Weise) in gemeinsamen Austausch verschiedener Perspektiven, Interessen und Rücksichtnahmen getroffen, weil alle direkt involviert und betroffen sind. „Denn wir können nicht festlegen, was als wertvoller Beitrag zählt, ohne gemeinsam über die Ziele und Zwecke unseres Gemeinschaftslebens nachzudenken„, sagt Sandel, und es in gemeinsamer verantwortlicher Tätigkeit zu gestalten.
Hier wäre aus meiner Sicht Sandel weiter zu denken. Gut jedenfalls, dass er mit „Tyranny of Merit“ eine Diskussion angestoßen hat. Es ist sicher kein epochemachendes Werk, aber ein materialreiches, anregendes und wie immer einnehmend geschriebenes Buch. Und es ist zu hoffen, dass er damit viele motiviert zu, sich auf „Philosophisches zur Zeit“ einzulassen: „In schwierigen Zeiten interpretiert die Philosophie die Welt – und sie bemüht sich, sie zu verändern.“[12]
[1] Auch ich war/bin von den Video-Mitschnitten der Vorlesung zur Gerechtigkeit sehr beeindruckt – vor allem wie der Hochschullehrer Sandel seine Mission, seine Zuhörer zu philosophischem Denken anzuregen und ihnen die Bedeutung des philosophischen Nachdenkens für aktuelle Probleme nahezubringen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir gewünscht hätte, dass Sandel die eigene Position, die er zu den verhandelten Fragen einnimmt, vorgestellt und begründet hätte. Aber das entsprach vermutlich nicht dem Konzept der Vorlesung und auch wohl auch dem Selbstverständnis Sandels nicht, der jenseits des offenen, philosophisch angeleiteten (politischen) Diskurses keine Schulweisheiten gelten lassen will. Im Verlust der Kunst der politischen Debatte sieht Sandel ein Grundübel unserer Zeit.
[2] Das kann man ihren Hauptvertretern allerdings schlecht vorwerfen. MacIntyre hat marxistische Wurzeln und Charles Taylor war selbst Kandidat der New Democratic Party Kanadas, die sozialdemokratische Linke Kanadas.
[3] Jetzt muss ich schon wieder etwas gestehen: ich kann mit dem Ausdruck „Populismus“ nichts rechtes anfangen. Er ist wohl eher ein Kampfbegriff von etablierten Demokraten gegen ihre unliebsamen Widersacher. Es ist „nur“ etwa 150 Jahre her– zugegeben aus anderer Perspektive (!) – dass dieses Etikett der Arbeiterbewegung umgehängt wurde. Wo kämen wir hin, wenn das Volk, solange es niederen Beweggründen folgt, einfach sagt, was es meint – da müssen wir schon aufklären. Solche Fehler sind einfach „nicht tolerierbar“.
[4] S. 37.
[5] S. 43ff.
[6] S. 330.
[7] S. 325.
[8] S. 42.
[9] Zit. n. a.a.O, S. 216.
[10] S. 48
[11] Zur unhistorischen Bewertung der Arbeit und ihrem Missverständnis im Rahmen einer marxistisch inspirierten Überwindung von entfremdeten Lebensbedingungen siehe Moishe Postone, Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx (2003)
[12] A.a.O., S. 193.