Stopp den Scheiß-Job-Export

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Derzeit schuften schätzungsweise vierzig Millionen Menschen in sklavenähnlichen Verhältnissen.[1] Was beim Müll-Export und seinen Folgen deutlich wird: Viele Scheiß-Jobs werden unter anderen auch vom Exportweltmeister Deutschland in andere Länder „outgesourced“ (siehe Beitrag Exportweltmeister). Was also tun, um den „Scheiß-Job-Export“ zu stoppen?

Es selber genauso machen (1)

Das geht doch nicht…!? Schnell wird klar, dass wir diese Jobs nicht bei uns haben wollen, geschweige denn selbst einen solchen Job ausüben möchten. Um beim Beispiel Müll zu bleiben: Unvorstellbar, dass es in Deutschland Plastik-Dörfer gibt. Ganz nebenbei würden diese „Arbeits-Plätze“ keiner Arbeitssicherheits-Prüfung standhalten – gut dass wir die Kollegen vom TÜV haben. Für keines unserer Kinder wollen wir, dass sie mit uns am Plastik-Einschmelz-Lagerfeuer die Gifte einatmen. Auch wenn es bei uns einige kriminelle Arbeitsplätze gibt, die natürlich nicht von uns selbst besetzt werden – man denke an die Leiharbeiter in Schlachthöfen, Tagelöhner am Bau, etc. – ist es dennoch undenkbar, solche Müll-Arbeits-Plätze im großen Stil in Deutschland zu haben.

Es selber anders machen (2)

Das bedeutet, die schmutzigen Jobs hierzulande nach den hiesigen Regeln auszuüben. Dazu wissen wir, dass dann alles sehr viel teurer wird, und das wollen wir nun auch wieder nicht. Am Beispiel Müll bedeutet das eine teure Wiederaufbereitung. Damit würde die Müll-Entsorgung um ein Vielfaches teurer werden und damit die Produkte. Solche Wiederaufbereitungs-Anlagen gibt es übrigens in Holland, wir sind aber nicht bereit, diese Entsorgung zu bezahlen und verschiffen lieber nach Übersee. Das zeigt, dass mit uns was nicht stimmt. Wir kommen mit unserer Art zu wirtschaften selbst nicht zurecht.

Es ganz anders machen (3)

Das heißt, anders zu produzieren, Qualitätsware schätzen, wirklich gute Sachen kaufen (dafür etwas weniger), und insgesamt anders wirtschaften. Beim Müll-Beispiel hieße das, Müll zu vermeiden. Das wäre die günstigste und menschenfreundlichste (nebenbei auch mitweltfreundlichste) Lösung.

1, 2, oder 3…? Letzte Chance…

Für die vorteilhafteste Variante 3 „Es ganz anders machen“ müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Es gibt bereits gute Ansätze – angefangen beim Müll, aber auch weit drüber hinaus:

Müll erst gar nicht produzieren – „Bau keinen Scheiß“

Nur knapp neun Prozent der weltwirtschaftlich verbrauchten Ressourcen fließen einer neuen Nutzung zu. Der Rest wird zu Müll. Eigentlich eine Miss-Wirtschaft. Das wird in einer Kreislaufwirtschaft (Cradle-to-Cradle) verhindert. Die Produkte sollen so beschaffen sein, dass sie nach Gebrauch entweder verrotten oder ihre Einzelteile weiterverwendet werden können.

Die erste Cradle-to-cradle-Modell-Gemeinde Deutschlands möchte durch Kreislaufwirtschaft die Müllentsorgungskosten senken. Die kommunalen Gebäude sind später Reservoir für Neues sein, anstatt auf dem Sondermüll zu landen. Ein Haus, das wenig Wartung braucht, zahlt sich aus. Was beim Bau teurer ist, wird später kompensiert.

Weil auch unsere Politiker langsam kapieren, dass es mit dem Müll so nicht weitergehen kann (bzgl. der Mitwelt, aber auch bzgl. des schieren Entsorgungs-Problems), schreibt ein neues Gesetz immerhin vor, dass bis 2023 der Recycling-Anteil auf 63 Prozent gesteigert werden soll.[2] Bisher ist es weiterhin billiger, Kunststoffe aus frischem Erdöl herzustellen, als hochwertige Recyclate zu produzieren. Hier ändern sich auf Regelungsebene gerade immerhin Kleinigkeiten. Die wenigsten Unternehmen tun freiwillig etwas. Aber wenige gehen dennoch mit gutem Beispiel voran.

Jedenfalls sollten wir nicht nur beim Konsumenten ansetzen (der Konsument solls richten!?), um unsere Miss-Wirtschaft zu beheben.

Ein weiterer Vorschlag wäre, die Entsorgungsgebühren für Unternehmen zu erhöhen. Damit würde es auch betriebswirtschaftlich unrentabler, Dinge wegzuschmeißen und es würde evtl. vermieden, dass Rückläufer lieber weggeschmissen als weiterverkauft werden, wie dies bei einem großen Versandhandel gängige Praxis sein soll.

Gegen den „Scheiß-Job-Export“ ist derzeit ein Lieferketten-Gesetz in der Diskussion: Ziel ist es, die globalen Lieferketten fair und umweltfreundlich zu gestalten. Bislang gelten Produkt-Standards nur für die Verbraucher*innen, also für uns. Dabei ist es uns rein rechtlich bisher total egal, wer oder was beim Produktionsprozess Schaden nimmt. Es gibt keine Bestimmungen für die Durchsetzung sozialer, menschenrechtlicher oder ökologischer Standards. Das soll durch ein Lieferketten-Gesetz ermöglicht werden. Die Produkte sollen nachhaltig, sozial und ohne Menschenrechtsverletzungen hergestellt werden. Tolle Sache! Bisher traut sich die Politik aber noch nicht, das Gesetz zu verabschieden. Es wird davor gewarnt, die arme Wirtschaft zu belasten.

Was der Staat sich noch nicht traut, praktizieren die Organisationen der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ): Die GWÖ misst Unternehmen, Städte und Organisationen daran, wie sehr sie das Wohl aller im Blick haben. Dem Modell ist es immanent, auch die Lieferketten mitzudenken. Wie der Name schon sagt, geht es ja um das Gemeinwohl beim Wirtschaften. Da passt es nicht, wenn ein Unternehmen ausbeuterisch handelt. Organisationen, die sich gemeinwohl-zertifizieren lassen, nehmen ihre Lieferketten unter die Lupe und sammeln in ihrer Gemeinwohl-Bilanz Punkte für soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards. Bisher haben sich ca. 600 Unternehmen, 60 Gemeinden und 200 Hochschulen freiwillig nach ihrem Gemeinwohlstreben bilanzieren lassen. Bis die Gemeinwohlbilanz die klassische Finanzbilanz ablöst, wird sich in unseren Köpfen noch viel ändern müssen. Weg vom Geldwert, hin zum Wohlergehen. Der Gedanke des „Wirtschaftens zum Wohle aller“ ist in den meisten Verfassungen verankert. In der bayerischen Verfassung findet man das Gemeinwohl sogar wortwörtlich im Artikel 151: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“ Darauf können wir uns berufen.

Kauf keinen Müll

Klingt komisch, aber wir kaufen tatsächlich ziemlich viel Müll. Erstens natürlich verpackungstechnisch. Nachdem wir wissen, was mit unserem Recycling-Müll größtenteils passiert, dass er in Übersee landet und eben nicht recycelt wird, sollten wir in punkto Verpackungen nicht unachtsam einkaufen. Vordenker ist die Zero-Waste-Bewegung (zum Beispiel in Nürnberg). Sie zeigt zahllose Beispiele für die Müllvermeidung, und wir alle können uns daran beteiligen. Warum gibt es eigentlich eine Mülltonne pro Haushalt, aber jeder kann zig gelbe Säcke vor die Tür stellen?

Noch schräger ist, dass wir auch beim Produkt selbst ziemlich oft Müll kaufen. Wenige Dinge halten wirklich lange, sind eher auf schnelles Wegwerfen und Neukaufen ausgelegt. Unsere Fast-Fashion-Billig-Klamotten, die unter menschenverachtenden Bedingungen für uns genäht werden, taugen in der Altkleiderverwertung noch nicht mal für Putzlappen – die Stoff-Qualität ist einfach zu schlecht. Kein Wunder, bei dem Preis. Wir können als Konsumenten „die Guten“ unterstützen. Fair Fashion, Fair Trade und ökologische Produkte – es gibt für alles eine gute Alternative, die sich besser anfühlt, gesünder ist, und länger hält (und damit in the long run auch günstiger ist). Da muss man nicht lange grübeln: Öko-fair kaufen ist eine leichte Entscheidung, weil es einfach immer die bessere Wahl ist und in der Gesamtbetrachtung keineswegs teuerer.

Also

kurz gefasst: „Kauf keinen Müll“ und „Bau keinen Scheiß“. Klingt eigentlich einleuchtend, oder? Wir können auf jeden Fall schon mal damit anfangen, unseren Exportweltmeister-Status auf anständige Füße zu stellen, und weniger Müll exportieren bzw. importieren. Gegen die Scheiß-Jobs auf der Welt. Dann können wir uns zu „Made in Germany“ beglückwünschen. Echt.

[1] Greenpeace Magazin 4.20

[2] Greenpeace Magazin 4.20

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