Ovids Metamorphosen IV: Angst versteinert

Lesedauer 13 Minuten

Perseus ist neben Odysseus einer der Lieblinge von Athene/Minerva. Seine „Heldenstücke“ hätte er ohne ihre tätige Mithilfe nicht durchstehen können. In einer unverhüllt künstlichen Überleitung führt uns Ovid nun zu eben diesem Minerva-Liebling. Die vorhergehenden Verwandlungen kreisten um Bacchus und seinen sterblichen Großvater Cadmos. Bacchus wird ihm nun zur wackligen Brücke zu Perseus: Acrissius, König von Argos und Vater der Danaë, verweigert Bacchus die Anerkennung als „neuer Gott“ und bestreitet auch Perseus, die göttliche Vaterschaft. Perseus ist nämlich der Sohn der Danaë, den es gar nicht geben dürfte. Acrissius war geweissagt, dass er selbst keinen Sohn haben wird, aber einer seiner Enkel ihn vom Thron stürzen wird. Selbst ohne Sohn geblieben, wollte er sich nun vorsehen und sperrte die Tochter in einen tür- und fensterlosen Turm, der nur nach oben geöffnet war, um der Tochter so alles (über-) lebensnotwendige zukommen lassen zu können. Er wollte sich schützen, ohne die Tochter zu verlieren. 

WIR LESEN OVID
Ovid – WikiCommons

Ovids Metamorphosen sind ein lesenswerter Klassiker. Wir lesen Stück für Stück die fünfzehn Bücher in kleinen überschaubaren Abschnitten. Können wir Philosophisches zur Zeit daraus lernen? Finden Sie’s raus und lesen Sie mit! Das geschah bisher.

Das war natürlich wenig klug und vorausschauend. Denn: Seine Tochter war ausnehmend schön und von „göttlicher“ Attraktivität. Deshalb hätte er durchaus damit rechnen müssen, dass sie auch den anzieht, der von aller weiblichen Schönheit angezogen wird: Juppiter. Kaum fiel „von oben“ sein Blick auf sie, begehrte er sie und vereinigte sich mit ihr in einem Goldregen. Perseus, die Frucht dieser „Vereinnahmung“, kann Acrissius nicht als Nachkommen akzeptieren: er weiß nicht wie die Tochter schwanger werden konnte, eine göttliche Vaterschaft hält er für betrügerische Aufschneiderei.[1]

Zwischenbetrachtung: Das Vorbild Odysseus

Odysseus bei Kalypso – die Duldung der Freunden

Ovid scheint die Geschichte Perseus auch erzähltechnisch mit Odysseus verbinden zu wollen. Die Odyssee Homers ist eine verschlungene Erzählung, die in der Abfolge der Bücher nicht der zeitlichen Ordnung der Geschehnisse folgt. Zur Erzählzeit befindet sich Odysseus bereits auf der vorletzten Station seiner Heimfahrt, nämlich auf der Insel Ogygia der Nymphe Kalipso. Dort war es ihm in gewisser Hinsicht ausnehmend gut gegangen: man darf annehmen, er lebte dort ein Leben, das sich viele Männer – you know what i mean – gelegentlich erträumen. Aber Odysseus wollte schließlich das sexuelle Paradies verlassen. Er konnte auch durch die Aussicht auf ewige Jugend, in der er immer bestens seinen Mann stehen konnte, nicht umgestimmt werden.[2] Kalipso musste ihn schließlich ziehen lassen. Auf einem Floß kam er bis in Sichtweite von Ithaka. Seine sofortige Heimkehr wurde allerdings durch ein von Poseidon ausgelöstes Unwetter verhindert und es verschlug ihn schließlich auf Scheria, die Insel der Phaiaken. Ohne sich erkennen zu geben, wird er dort gastfreundlich aufgenommen. Beim Begrüßungsfest singt der phaiakische Sänger Demodokos von den Kämpfen um Troja, von Agamemnon und Achill und eben auch von Odysseus. Unter Tränen gibt er sich schließlich zu erkennen und erzählt den Phaiaken von seiner Irrfahrt. Odysseus schlüpft selbst in die Rolle des Dichters des eigenen Schicksals. Bei allen dramatischen Stationen, die er berichtet, dem Überfall auf die Kikonen, seinem Aufenthalt bei den Lotophagen, den Kämpfen mit dem Kyklopen Polyphem (IX) und den menschenfressenden Laistrygonen, ihrer Flucht vor Kirke (X), seinem Besuch der Unterwelt (XI), der Vorbeifahrt an den Sirenen, Skylla und Charybidis, dem Vergehen der Gefährten an den Rindern des Helios und schließlich seine Flucht zu Kalypso (XII), müssen wir uns die gespannten, mitleidenden Gesichter der Phaiaken mitdenken, die seine Geschichte(n) mit viel „Oh“, „Um Himmels Willen“ und „Gott sei Dank!“ begleiten: „So sprach er“, heißt es am Ende[3], „doch die verstummten alle und schwiegen; / Zauberstimmung hielt sie gebannt in den schattigen Hallen“.

Odysseus bei den Phaiaken erfindet sich selbst

Das ist ein phantastischer Kunstgriff Homers: er lässt Odysseus selbst von seinem abenteuerlichen Herumirren erzählen. Nicht der auktoriale Dichter, sondern der Held der Dichtung führt uns durch seine Geschichte. Nicht Homer, sondern der listenreiche Odysseus bürgt für die Wahrheit seiner Geschichte. Der große Dulder integriert das lange Festgehaltenwerden durch die sexuellen Freuden bei der schönen Kalipso so in eine Lebensgeschichte, die durch ein heroisches Ringen mit den Mächten des Schicksals bestimmt ist. So will er sich den reichen und sorglosen, fast paradiesisch lebenden Gastgebern zeigen. So will Odysseus gesehen und verstanden werden.[4] Seine Geschichte(n) sind das, was ihn ausmacht.

Die Geschichten sind selbst ein Teil des Wettkampfs als den wir „griechisch“ das Leben verstehen müssen, nämlich des Versuchs, „immer herausragend“ zu sein und „ausgezeichnet vor anderen“ (αἰὲν ἀριστεύειν). Um den noch unbekannten Gastfreund die Zeit zu vertreiben, hatten die Phaiaken sportliche Wettkämpfe veranstaltet. Durch die jugendlichen Wettkämpfer herausgefordert, wirft er – mit Hilfe Athenes – den schwersten Diskus konkurrenzlos weit und gewinnt die einhellige Hochachtung der phaiakischen Konkurrenten. Und seine Lebenserzählung ist dann auch ein „Auftritt“ im dichterischen Wettkampf mit dem hochgelobten Demodokos, den er nun – mit Hilfe Homers – übertrifft. Seine Geschichte(n) werden die Zeiten überdauern und die Bewunderung vieler Generationen bekommen.

Der komische Held Perseus

Perseus

Zurück zu Ovid und dem anderen Liebling von Athene/Minerva, nämlich Perseus. Wir begegnen ihm bei Ovid bereits in voller Ausstattung, mit Flügelschuhen, Gorgonenhaupt im Mantelsack und spiegelndem Schild. Was Athene/Minerva an ihrem Halbbruder fand, können wir nicht recht verstehen. Er erscheint jedenfalls bei Ovid nicht sonderlich liebenswert, anziehend oder gar geistreich. Woher er die Flügelschuhe hatte, tut für Ovid nichts zur Sache. Bei Ovid machen sie ihn ein wenig zur komischen Figur. Sie sind ihm ein Spielzeug, dem er sich verspielt und selbstvergessen hingibt. Er überfliegt die Welt – einfach weil er es kann und an nichts gebunden ist. Er ist der komische Widerpart des Hermes, dessen geflügelten Schuhe Teil seiner Mission und seines Wesens sind. Perseus hingegen wirkt mit den Flügelschuhen leicht lächerlich und von allem Wirklichen „abgehoben“. Eine Superman-Parodie. Ein Yuppie, der auf einem E-Roller durch die Lüfte fliegt, die ihm die Welt bedeuten. So landet er „irgendwie“ bei Atlas, dem Titanen, der das (westliche) Ende der Welt regiert. Er hütet ängstlich sein Reich und seinen besonderen Schatz, einen Garten, in dem goldene Äpfel gedeihen. Diese Äpfel würden ihm – so wurde ihm geweissagt – dereinst durch einen Sohn Juppiters geraubt. Atlas hatte seinen Goldgarten deshalb durch eine lückenlose Bergkette umgrenzt und durch einen riesigen Drachen bewachen lassen: Fremde unerwünscht.

Atlas

Perseus fliegt unbekümmert in diese Festung und glaubt nun, überheblich und aufgeblasen wie er ist, dass man sich freuen müsse, ihn zu beherbergen: „Fremdling“, sprach Perseus zu ihm, „wenn dir der Ruhm eines großen Geschlechtes etwas bedeutet, so wisse: Iuppiter ist mein Stammvater. Bist du aber ein Bewunderer von Heldentaten, wirst du die meinen bewundern. Ich bitte um Gastfreundschaft und ein Nachtlager.“[5] Atlas reagiert auf den blasierten Luftikus sehr entschieden: er verweist ihn aus seinem Reich und wird schließlich handgreiflich. Da Perseus dem Atlas natürlich nicht gewachsen ist, greift er zu seiner Universalwaffe, dem im Mantelsack verborgenen Haupt der Medusa. Wer es zu Gesicht bekommt versteinert. „Und von links holte er das von Schlangen starrende Haupt der Meduse hervor, während er selbst sich zurückwandte. Groß wie er war, wurde Atlas zum Berg: Bart und Haare wachsen sich zu Wäldern aus; Schultern und Arme bilden Bergjoche; was vorher Haupt war, ist jetzt der Gipfel, die Knochen werden zu Stein. Dann wuchs er nach allen Richtungen ins Unermeßliche – so habt ihr Götter es bestimmt –, und der ganze Himmel mit all seinen Gestirnen ruhte auf ihm.[6] Ovid greift da doch recht eigenwillig den griechischen Mythos auf, der Atlas die Strafe zuspricht, das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern tragen zu müssen.[7] Neben der versteinernden Wirkung des Medusenhaupts müssen hier die Götter nachhelfen: Bart und Haare versteinern nicht, wachsen vielmehr zu Wäldern heran; und der versteinerte Atlas wird noch größer und raumgreifender als es der lebendige war. Aber können Götter, zu denen Atlas als Titan gehört, überhaupt versteinern und in Stein verwandelt dennoch weiterleben – denn sterblich sind sie ja nicht, die Unsterblichen!? Ovid hätte solche Bedenken wohl kopfschüttelnd abgetan. Wer sich der Begegnung von Perseus und Atlas so nähere, der versuche vermutlich auch, die Mechanik der Flügelschuhe zu entschlüsseln. Atlas, der große mächtige Titan, hat Angst sein Reich zu verlieren und diese Angst schafft erst die Gefahr, die der selbstgefällige und freischwebende Wichtigtuer überhaupt nicht ist. Angst versteinert – Gott hin oder her.

Perseus wird damit nicht zum Helden. Das Ganze geht ihn auch gar nichts an. Er bindet sich wieder die Flügel an die Schuhe und „eilt auf hurtigen Flügelsohlen durch klare Luft dahin“. Nicht dass er was vorhätte, er schwirrt nur einfach ein bisschen rum. Aber: „Nachdem er zahllose Völker, die ringsum in der Tiefe wohnen, hinter sich gelassen hat“, erblickt er, sich ein wenig wie Hermes/Merkur gebärdend, von hoch her eine schöne Sterbliche. Und nun beginnt das komische Spiel, das Perseus freilich als Heldentat begreift: Die schöne Andromeda sehend wird ihm „ganz anders“. „Er staunt (stupet). Hingerissen vom Anblick der schönen Gestalt, hätte er beinahe vergessen, in der Luft mit den Flügeln zu schlagen.[8] Können wir diesen Helden noch ernst nehmen? Ihn hat „unbemerkt“ (?!), inscius, die „Liebesglut“ ergriffen. Dabei hätte er sie beinahe nicht bemerkt. Andromeda ist nämlich an einen Meeresfelsen gekettet. Sie ist das Opfer, das dem Meerungeheuer Keto, das bei Ovid namenlos bleibt, gebracht werden muss. Perseus also hätte sie beinahe nicht gesehen, „hätte nicht ein leichtes Lüftchen ihr Haar bewegt und ihre Augen heiße Tränen vergossen, hätte er sie für ein Marmorbild gehalten“, also ein Kunstwerk, das, weil am Ideal des Schönen ausgerichtet, höher zu schätzen ist als das vergängliche Modell, das dem Bildhauer diente. Der Künstler hätte allerdings durch höchste Kunstfertigkeit geglänzt, die eigentlich nur dem Werk des Medusenhauptes zukommt. Was sich lebendig bewegt, hat das Medusenhaupt nur noch nicht gesehen. Das ist alles reichlich „komisch“. Die Komik steigert sich noch als Perseus sie mit unheimlicher Raffinesse anspricht: „Du verdienst nicht diese Ketten, sondern diejenigen, mit denen sich sehnsüchtig Liebende verbinden. Verrate mir auf meine Frage den Namen deines Landes und den deinen und warum du gefesselt bist.“ Aber Ovid ist das nicht genug der Komik, er legt noch eins drauf: Die brutal an den Felsen gekettete Jungfrau bleibt sittsam und sittenstreng: sie „wagt als Jungfrau nicht mit einem Mann zu sprechen“ und „sie hätte die Hände sich schamhaft vors Gesicht gehalten, wäre sie nicht gefesselt gewesen“. Natürlich. So muss das sein. „Doch die Augen ließ sie von hervorstürzenden Tränen überfließen – denn das war ihr noch möglich“.

Tizians Andromache und Perseus (1554)

Der weitere Austausch von Nettigkeiten wird allerdings durch das auftauchende Ungeheuer, das sich seine Beute holen will, unterbrochen. Plötzlich sind auch die Eltern dabei und klammern sich, vorher offenbar von Perseus unbemerkt, an die bedrohte Tochter. Doch Jammern hilft nichts. Schnelles Handeln ist gefordert. Und hier muss man Ovid selbst zitieren, um sich der Skurrilität der Situation gewiss zu werden. „Zum Weinen“, sagt Perseus den Eltern, „werdet ihr noch lange Zeit haben, doch kurz ist die Frist, um Hilfe zu bringen. Würbe ich um sie, ich, Perseus, der Sohn Iuppiters und der Danaë, die er in ihrem Verlies mit fruchtbarem Golde schwängerte, Perseus, der Überwinder der schlangenhaarigen Gorgo, der auf flatternden Flügeln durch die ätherischen Lüfte zu wandern wagte – würbe ich um sie, so würde ich gewiß allen anderen als Schwiegersohn vorgezogen werden. Ich versuche zu so vielen Gaben auch noch ein Verdienst hinzuzufügen, sofern mir nur die Götter hold sind. Dafür bedinge ich mir aus, daß sie, wenn meine Tapferkeit sie rettet, die Meine werde.“ Perseus muss sich schon namhaft machen. Natürlich wird die Abmachung getroffen – die Eltern willigen ein und legen noch das Konigreich obendrauf. Der Kampf gegen das Ungeheuer kann beginnen. Ovid beschreibt es wie eine Luftschlacht aus Star Wars, wenn kleine Flugobjekte eine gigantischen Robotermaschine zur Strecke bringen wollen, die mit ihren Fangarmen immer wieder versucht, sie wie Fliegen, die sie umschwirren, zu erwischen und zu zerschmettern oder zu zerdrücken. Das Ungeheuer schnappt nach dem Schatten, den der fliegende Perseus auf der Meeresoberfläche erzeugt, doch er fliegt von hinten heran, setzt sich auf den gewaltigen Rücken des Wasserdrachens und sticht mit dem Schwert mehrfach zu. Vor dem aufbäumenden und sich in die Fluten stürzenden Untier rettet sich Perseus mit Hilfe der Flügelschuhe und greift wie ein Luftsurfer das Ungeheuer wiederum an. Aber mit der Zeit – welch ein komischer Einfall Ovids – wurde „das Gefieder“ der die Flügelschuhe von dem Sprühregen des Kampfgeschehens „naß und schwer“ (!). „Perseus wagte es nicht länger, sich den durchnäßten Flügelschuhen anzuvertrauen.“ Er klammert sich an einen Felsen und „stieß [schließlich] drei-, viermal zuschlagend dem Tier den Stahl in die Weichen“. Das Ende beschreibt Ovid nur indirekt über die Reaktion des „Publikums“: „Beifallklatschen und Jubel erfüllten den Strand …“ Die Eltern sind glücklich, Andromache auch. Man kann zum festlichen Teil übergehen.

Und auf dem Fest – dem äthiopischen, nicht dem phaiakischen – wird nun der Held gefragt, wie er das Haupt der Medusa denn eigentlich erringen konnte. Perseus erzählt von den Graien, die er überlisten konnte, wie er sich der schlafenden Medusa mittels des spiegelnden Schilds nähern und sie enthaupten konnte. „Er berichtete auch noch wahrheitsgetreu von den Gefahren seiner langen Reise, von den Meeren und Ländern, die er von oben gesehen, und von den Sternenbildern, die flügelschlagend erreicht hatte.[9]

Rubens Medusa

Medusa ist die schönste der drei Gorgonen Schwestern und zugleich die Einzige, die sterblich ist. Das Schöne ist fragil und immer in Gefahr. Man kann sich seinem Reiz nicht entziehen. Und so findet auch Poseidon die Sterbliche unsterblich schön und vergeht sich an ihr. Vor allem vergisst er, „kopflos“ die Welt um sich her und also auch, dass er sich gerade im Tempel der Athene/Minerva befindet. Die Schönheit dieser Sterblichen, die Poseidon zur Missachtung Athenes/Minervas verleitete, muss gebrochen werden. Sie wird zu ihrem Gegenteil. Das Schöne zieht alles Lebendige an. Das Hässliche dagegen lässt alles Lebendige fliehen. Im Bann der Medusa versteinert es. Das Besondere freilich ist, dass das Lebendige sich darin selbst erkennt. Es kann schlechterdings nicht wegsehen. Das erfahren wir beim Anblick schrecklicher Dinge und hässlicher Geschehnisse. Unser Blick wird eigentümlich gebannt. Beim Anblick Medusas erleben wir den Schrecken selbst, der zum Leben gehört und nur in ihm erfahrbar ist und zugleich sein Ende ansichtig macht.

Von all dem hat Perseus keine Ahnung. Er trägt das Medusenhaupt wie einen Ausrüstungsgegenstand mit sich herum – ein Laserschwert für griechische Helden, einfach ein hilfreiches Werkzeug, das er von einer göttlichen Gönnerin zugespielt bekam, die es gut mit dem Leben dieses antiken Taugenichts meint.

Und die Metamorphose?

Aber halt? Das alles ohne Metamorphose? Der Tod des Ungeheuers kann dafür nicht durchgehen. Die Verwandlung ereignet sich nebenher. Der Held muss sich das Blut von den Händen waschen und legt dazu den Mantelsack mit dem Haupt der Medusa auf zusammengetragenen Meerespflanzen ab. „Die frischen Seepflanzen, deren saugfähiges Mark noch lebte, rissen die Kraft des Wunderwesens an sich, wurden durch seine Berührung hart und erfuhren an Stengeln und Blättern eine neuartige Versteinerung. … Auch heute noch haben die Korallen dieselbe Eigenschaft, bei der Berührung mit Luft zu erstarren, so daß, was im Meer eine Pflanze war, über dem Wasserspiegel zu Stein wird.[10] Auch das will man wohl nicht naturwissenschaftlich verifizieren. Es die Einbildungskraft, die uns beim Anblick von Korallen an die Versteinerung des Lebens erinnern lässt und daran, dass wir dem Hässlichen wirklich fliehen sollten. 

 

 

Demnächst

Perseus führt uns ins fünfte Buch und zu einem Gemetzel, das wieder dem homerischen Vorbild folgt. Odysseus rächt sich an allen Freiern, die seit Jahren sein Haus belagern. Ovid wird zeigen, dass er das auch kann – furchtbares Gemetzel seitenlang zu beschreiben und immer noch eins drauf zu legen. Am Ende wird Perseus wieder zum „Laserschwert“ greifen – aber verewigt sind die Kämpfer schon durch Ovid.

 

[1] Im Übrigen hatte er die Tochter mit ihrem Sohn in eine Kiste gesperrt und auf dem Meer ausgesetzt. Sie mussten also beide tot sein. Dass sie – wie die Ausgesetzten so oft, man denke nur an Ödipus – gerettet wurden, schien ihm nicht vorstellbar.

[2] Diese Entscheidung Odysseus gegen das paradiesische Ogygia ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Er war – was uns erst in Buch 11 erzählt wird – ins Reich der Toten hinabgestiegen und dort deren Schattendasein erlebt. Achill, der dort eine Ehrenstellung unter den Schatten einnimmt, hatte ein ruhmreiches, gefahrvolles Leben dem langen und langweiligen Leben vorgezogen und beschwört ihn nun, das Leben zu schätzen: Glücklicher als du, Achilleus, war keiner vordem, wird sein künftig / keiner; denn wir Argeier ehrten zuvor dich im Leben / gleich den Göttern; nun aber herrschst du hier wiederum machtvoll / unter den Toten; drum sei, dass du tot bist, nicht traurig Achilleus!“ Achill dagegen wehrt ab: „Such mir den Tod doch nicht schönzureden, erlauchter Odysseus! / Lieber möchte auf Erden um Lohn ich bei einem andern / dienen, einem Mann ohne Erbgut mit wenig Vermögen, / als über alle dahingeschwundenen Toten ein Herr sein.“ Überdies ist er nun schon fast zwanzig Jahre unterwegs, hat selbst einiges – nicht zuletzt mit attraktiven Frauen – erlebt und kann sich keineswegs sicher sein, dass Penelope ihm noch treu oder überhaupt noch am Leben ist. Er zieht sein Leben, eines, das sich aus seinem Wesen ergibt, dem angenehmen, aber zugeteilten Leben vor.

[3] Anfang des XIII. Gesangs.

[4] Wenn uns klein Odi erzählt, wie er im Waldgrundstück des Nachbarn mit seinem Laserschwert drei Drachenmonster vertrieben hat, dann verstehen wir seine Geschichte als seine Geschichte. Wir nehmen uns zwar nicht vor Drachen in Acht, wenn wir das nächste Mal einen Waldspaziergang machen, fragen aber klein Odi bei passender Gelegenheit schon, ob er sein Laserschwert immer noch hat und damit seither auch andere Monster erlegen konnte. Das tun wir in Anerkennung seiner Geschichte.

[5] IV 639ff.: “Hospes,” ait Perseus illi, “seu gloria tangit / te generis magni, generis mihi Iuppiter auctor; / sive es mirator rerum, mirabere nostras. / Hospitium requiemque peto.”

[6] IV 655ff.

[7] Atlas war im Titanenkampf den olympischen Göttern unterlegen. Er wurde nicht in den Tartarus verbannt, sondern musste sich als titanische Schutzschild verhindern, dass Uranos sich wieder auf Gaia legen und sich mit ihr vereinigen konnte.

[8] IV 676f.: et stupet et visae correptus imagine formae paene suas quatere est oblitus in aere pennas.

[9] IV 786ff.:

[10] IV 745ff.

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