Was Sie immer schon über Corona wissen wollten

Lesedauer 2 Minuten

Crazy sei es, sich nicht impfen zu lassen. Natürlich gegen COVID-19. Das sagt John Ioannidis, einer der weltweit führenden Epidemiologen, in einem aufschlussreichen Gespräch mit seinem Kollegen Jay Bhattacharya. Beide sind Professoren an der Stanford University in Kalifornien. In ihrem Gespräch blicken sie auf zwei Jahre Pandemie und Pandemie-Bekämpfung zurück. 

Die beiden sind sich einig: es wurden schwere Fehler gemacht. Aber das Gespräch zeigt auch, dass und warum die Sache schwierig ist. Z.B. war und ist es wissenschaftlich keineswegs trivial, die Gefährlichkeit des Corona Virus eindeutig zu bestimmen. SARS-CoV2 stellt nämlich die Epidemiologie vor bislang nicht gekannte Schwierigkeiten: die Letalität ist so unter den unterschiedlich betroffenen Gruppen ungewöhnlich stark aufgefächert, dass eine übergreifende Zahl nicht wirklich aussagekräftig ist

Ein Highlight nicht nur für diejenigen, die die zurückliegenden zwei Pandemie-Jahre besser verstehen wollen – das Gespräch ist vor allem eine eindringliche Verteidigung der Wissenschaft und des respektvollen Umgangs miteinander. So überzeugt man von der eigenen Position sein mag: der andere könnte gleichwohl, in dem was er sagt und meint, Recht haben.  

Während Kinder und Jugendliche praktisch nicht betroffen sind, steigt die Gefährlichkeit mit dem Alter und bei einschlägigen Vorerkrankungen dramatisch an. Dem müssten die Maßnahmen Rechnung tragen. Ioannidis spricht z.B. von „Desastern“ und gar von „Massaker“ ähnlichen Situationen, die eintreten, wenn die Maßnahmen nicht zielgerichtet angesetzt werden. Er denkt dabei z.B. an Alten- und Pflegeheime, die weltweit bei unterschiedlichsten Maßnahmen stark betroffen und unzulänglich geschützt waren. 

Wíssenschaftliche Herausforderungen ergeben sich auch bei der Bestimmung der Übersterblichkeit, der Bewertung von Medikamenten oder den modellgestützten Vorhersagen des Pandemieverlaufes. Gerade die Modelle haben (fast) alle versagt. Ioannidis zeigt sich davon nicht überrascht: Modelle seien eben Modelle. Auch seine seien fast immer falsch. Die Herausforderung sei, die Modelle so zu entwickeln, dass sie eine Anpassung und die laufende Korrektur durch die empirischen Daten ausdrücklich vorsehen und sich damit stetig verbessern. 

Politisch sei das freilich schwierig zu vermitteln. Am Einsatz von Modellen (mit durchaus berechtigten worst case Szenarien) könnte man von einer gegenseitigen Strangulierung von Politik und Wissenschaft sprechen. Worst case Szenarien setzen die Politik unter Druck und erzeugen medial vermittelt und verstärkt eine Panik, die eine wissenschaftliche Auseinandersetzung kaum mehr ermöglichen. Ioannidis weiß hier von erstaunlichen Fehlentwicklungen zu berichten. Mit Anthony Fauci und führenden Kollegen der CDC und FDA freundschaftlich verbunden, kann er deren Zwangslagen gut einordnen. Anders als sein Gesprächspartner Jay Bhattacharya, einem der Mitinitiatoren der Great Barrington Erklärung, hat Ioannidis eine politische Einflussnahme ausdrücklich vermieden. Ihm geht es – und das ist vielleicht die bleibende Wirkung des Gesprächs – für eine offene wissenschaftliche Auseinandersetzung. Mehr noch als seine Thesen möchte er diejenigen verteidigen und geschützt wissen, die seine Thesen bestreiten. Denn: wissenschaftliche Thesen sind dazu da, falsifiziert zu werden. 

Schreibe einen Kommentar