Shanghaien – das bezeichnete eine bis weit ins 19. Jahrhundert weit verbreitete Anwerbetechnik für Kriegs- und Handelsschiffe. Wir keine Seeleute werben konnte, der überzeugte sie einfach durch Entführung. „Anwerbe-Trupps“ durchstreiften die Vergnügungsviertel großer Hafenstädte (wie eben Shanghai) und verschleppten Betrunkene auf die Schiffe, für die sie tätig waren. Das waren dann freilich nicht immer seeerfahrenen Matrosen – aber das konnte sich ja ändern. Besser noch war es allerdings, erst mal einen kleinen „Test“ zu machen, damit man auch die Richtigen erwischte. Also ging man in die einschlägigen Spelunken, gab vielversprechenden Kandidaten ein paar Becher Rum aus und ließ sich ein bisschen erzählen, wer sie waren und was sie bisher so gemacht hatten: waren sie schon mal auf See oder standen sie vielleicht noch im Dienst bei anderen, denen man nicht in die Quere kommen wollte (der Marine z.B.)? Geeignete Kandidaten wurden dann völlig besoffen an Bord gebracht oder besonders Trinkfeste niedergeschlagen oder geknebbelt aufs Schiff geschafft.
Diese „Werbetechnik“ heißt nach Shanghai, einem der großen Häfen, aus dem im 18. und 19. Jahrhundert für Nord-, Mittel- und Südamerika asiatische Zwangsarbeiter verschifft wurden. Shanghaien hat heute noch eine andere Form, die für manchen auch im Westen Vorbildcharakter hat. Es ist eine Form des solidarischen Schutzes der Volksgesundheit, die sich ebenfalls von „zwingenden“ Maßnahmen Shanghais ableitet. Shanghai ist eines der Finanzzentren Asiens, hat den größten Hafen der Welt und ist mit ca. 26 Millionen Einwohnern die größte Stadt Chinas. Und jetzt hat diese Stadt ein Problem, nämlich COVID, das sie richtungsweisend löst. Na ja, was ein Problem ist hängt vermutlich an der Perspektive. Jedenfalls steigen die Inzidenzen – und zwar dramatisch (siehe Grafik). Sie haben am 7. April 2022 die unfassbare, schier unbegreifliche Zahl von 828 neuen positiven Testfällen mit einem 7 Tages Mittelwert von 412 (!) Fällen gezeitigt. Man muss sich das mal vorstellen! 800 sogenannte Neuinfektionen in einer Mega-City, die deutlich mehr Einwohner als ganz Nordrhein-Westfalen hat, das es „nur“ auf ca. 20 Millionen bringt.
Neuinfektionen, das sind positiv Getestete. Aber auch das ist nicht ganz korrekt: es sind – wie wir aus dem Interview mit Jane Polubotko erfahren – solche, deren Testergebnis „abnormal“ ist. Was das ist, ist nicht so ganz genau festgelegt, aber es meint wohl, dass vier aufeinanderfolgende Tests nicht negativ sind. Jane Polubotko, eine Ukrainerin, die seit neun Jahren in Shanghai arbeitet und lebt, hatte einen (!) positiven Test und wurde dann von einer Emergency Einheit in ein Quarantäne-Zentrum gebracht. Seit 11 Tagen „lebt“ sie nun in einer riesigen, umgebauten Messehalle – zusammen mit 4.000 anderen Verschleppten. Es gibt keine Privatsphäre, keine Trennwände, keine Duschen. Waschen kann man sich nur an zentral eingerichtete, ungeschützten Waschbecken. Die Eingesperrten bekommen drei mal am Tag zu essen, dürfen ihre Smartphones behalten und müssen sich sonst ruhig verhalten. Niemand weiß, wann er wieder entlassen wird.
Das ist eine, besonders eindrucksvolle Erscheinungsform des Zero COVID Lockdowns in Shanghai. Niemand darf seine Wohnung verlassen – nicht mal zum Einkaufen oder zum Hund-raus-führen. Die Straßen sind ausgestorben. Nichts geht mehr.
Die halbe Welt macht auf, beendet den Lockdown-Wahnsinn. Selbst in Deutschland darf man z.T. wieder maskenlos einkaufen. Das scheint Zero-COVID Aktivisten verantwortungslos. Es steht zu befürchten, dass sie weiter an einer Solidarität à la Shanghai arbeiten.
Wieder ein schönes – und erschreckendes Gespräch mit Freddie Sayers von Unherd. Er spricht mit Jane Polubotko, die in einem Quarantäne-Zentrum in Shanghai eingesperrt ist und von dort per Smartphone-Kamera berichtet. Erschreckend, aber sehenswert. Wir bekommen einen Vorgeschmack darauf, was „unsere“ Zero-Covid-Überzeugte – da gibt es ja einige telegene, über die auf PzZ auch schon berichtet wurde – sich alles ausdenken könnten.
Steiler Anstieg? Man achte auf die Skalierung: von 30-40 Inzidenzen Mitte Februar auf 400-500 Anfang April. Wie gesagt bei 26.000.000 Einwohnern! Ach so, hätte ich ganz vergessen! Die Todesfälle? Null. Sie glauben das nicht: einfach googlen. Kein Scherz. Null COVID-19 Todesfälle. Ganz offiziell! Nur gelegentlich springt jemand aus dem Fenster oder schluckt ein Rasiermesser …
Das ist die ganze Wahrheit über Zero-COVID. Und das Programm wurde auch in Deutschland von Regierungsexperten vertreten – ganz Ohr auf Angela Merkel.
Also alles dicht machen: Solidarischer Lockdown. Ausgangssperre:
Hygiene ist wichtig für die Gesundheit – auch im Gesundheitsknast. Ein Metallbecken am Rand tut’s auch – stellt Euch nicht so an, seid solidarisch!