Inside Kakanien I 37: Solidarisch durch die Krise

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Besonders gut laufen Parallelaktionen, wenn sie medial unterstützt werden. Mediale Unterstützung freilich klingt wie Beiwerk. Tatsächlich geht es um Motoren, die ins Werk setzen, was mal für möglich erachtet, aber auch gut in den vorbereitenden Überlegungen hätte verdunsten und sich als Nebel über andere Dinge hätte legen können, die es ebenfalls wert wären, mal ins öffentliche Bewusstsein gehoben zu werden.

Auch „die“ Medien tun freilich nichts, weil sie genau wüssten, was zu tun ist und es wichtig fänden etwas verwirklicht zu sehen. Irgendwer bringt irgendwie in Erfahrung, „es liege etwas in der Luft“ und veröffentlicht „zwei große Aufsätze“, „in denen er als seine (!) Anregung alles das [anspricht], was seiner Vermutung nach im Werden“ ist (Waffenlieferungen z.B. oder Lockdowns?!?). Er weiß nicht viel, denn es gibt ja nichts zu wissen, aber man merkt es nicht, „ja gerade das [gibt] den beiden Aufsätzen erst die Möglichkeit hinreißender Wirkung“. Natürlich braucht eine Parallelaktion einen Slogan, eine kurze Botschaft, aus der viel Gutes, aber nichts Bestimmtes gelesen werden kann. Gesucht wird ein Satz, der nach immer neuen Sätzen schreit, „so daß dieses Wort in einem Traum sich mit anderen Worten“ verbinden und „eine ungeheure Begeisterung auslösen“ kann. Die „Ungenauigkeit und Gleichnishaftigkeit“ gibt dem Ganzen „eine erhebende und vergrößernde Kraft“. Es geht darum „die Phantasie des Volks“ oder pc-medial ausgedrückt, „die Phantasie des Publikums“ auf ein Ziel zu lenken, „das klar, gesund, vernünftig und in Übereinstimmung mit den wahren Zielen der Menschheit und des Vaterlands“ ist.

Es ist eine synergetische Symbiose: die Medien sind etwas auf der Spur und zeigen sich (investigativ) erfolgreich, wenn die Politik schließlich genau das tut, was die Medien als ihre noch vor der Öffentlichkeit verborgenen Absichten entdeckt haben: sie schreiben vor, was die anderen gedacht haben sollen und schließlich tun, weil die mediale Öffentlichkeit es jetzt ja fordert. Von der Politik wiederum wird das anders gesehen – kommt aber aufs Gleiche raus. Musil verweist auf Bismarck, wonach die Politik ihre „wahren Absichten Zeitungsschreibern in den Mund legen… um sie je nach dem Gebot der Stunde bekennen oder verleugnen zu können“.

Sie sagen das sei doch sehr kakanisch und entspricht nicht unsere Wirklichkeit. Was halten sie von „Leben was sonst“ (2006), „Kinder sind Zukunft“ (2007) oder „Anders als du denkst“ (2014). Und dann natürlich „Zusammen gegen Corona“ – wollte irgendjemand für Corona oder nur alleine gegen es sein? „Solidarisch durch die Krise“ – die uns alle plötzlich, unerwartet und unverschuldet getroffen hat und jetzt Solidarität verlangt, Wir setzen aufs „WIR“ (2022) – und sitzen schließlich alle im selben Boot.

 

P.S.

Musil weist noch auf einen anderen schönen Umstand erfolgreicher Kampagnen hin: sie müssen nicht nur nebulös, sondern auch begrenzt sein. Ein „Österreichisches Jahr“ – was immer das sein soll – kommt gut, ein „Österreichisches Jahrhundert“ ist völlig wirkungslos: Das heißt, „wir wollen einmal zeigen, was wir eigentlich sein könnten; aber sozusagen auf Widerruf und höchstens (!) ein Jahr lang. Man [kann] sich darunter denken, was man [will], es [ist] nicht für die Ewigkeit, und das [greift] ans Herz, man [weiß] nicht wie.

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