Inside Kakanien I 34: Sich-in-die-Zukunft-Fallenlassen

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JLP
– aus gegebenen Anlasss

Es gibt diese Momente, in denen wir erleichtert etwas hinter uns lassen, hinaustreten und uns befreit fühlen. Und während wir durch die Straßen laufen oder in einem Café sitzend die Passanten an uns vorbeiziehen sehen, finden wir in aller Erleichterung alles befremdlich. Vor allem uns selbst. Und obgleich wir uns doch von einer Last befreit sehen, überkommt uns „eine quälende Ahnung des Gefangenwerdens“. In den vorbeiziehenden Leuten scheint uns „das Leben, das sie führen“ eines zu sein „das sie führt“ und sie „nicht viel, nicht innerlich angeht“. Ist das nicht auch unser Leben? „Im Grunde wissen in den Jahren der Lebensmitte wenig Menschen mehr, wie sie eigentlich zu sich selbst gekommen sind, zu ihren Vergnügungen, ihrer Weltanschauung, ihrer Frau, ihrem Charakter, Beruf und ihren Erfolgen, aber sie haben ein Gefühl, daß sich nun nicht mehr viel ändern kann. Es ließ sich sogar behaupten, daß sie betrogen worden seien, denn man kann nirgends einen zureichenden Grund dafür entdecken, daß alles gerade so kam, wie es gekommen ist… “ Jugendlich hatte man all das auch wahrgenommen, aber als etwas, das überwindbar schien. Nun ist das Leben mit uns „umgegangen wie ein Fliegenpapier mit einer Fliege“: es hat uns an einem Härchen, dort in einer Bewegung festgehalten und uns allmählich eingewickelt bis wir in einem dicken Überzug begraben liegt, der unserer ursprünglichen Form, unseren ausgreifenden Wünschen nur noch ganz entfernt entspricht. Rückblickend wird das Jahrhundert einfach melden: „Anwesend waren …

Einiges vermag man nur, wenn man nicht daran denkt. Wir dürfen beim Autofahren nicht daran denken, mit rechts zu bremsen – wir kämen zu spät. Deshalb üben wir uns bei Dingen, die wir gut beherrschen wollen, um den Verstand. Schon das einfache Gehen, ist so gesehen eine Kunst des bewusstlosen Seins: „man hebt den Schwerpunkt, schiebt ihn vor und läßt ihn fallen; aber eine Kleinigkeit daran verändert, ein bißchen Scheu vor diesem Sich-in-die-Zukunft-Fallenlassen oder bloß Verwunderung darüber – und man kann nicht mehr aufrecht stehen!“ Und doch kommt alles darauf an, dieses „Sich-in-die-Zukunft-Fallenlassen“ ausdrücklich zu erleben, wenn wir Leben genießen wollen.

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