Inside Kakanien I 31: Hat man erstmal Stimmen gehört, sieht man vieles anders

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Wenn nicht alles glatt läuft und sich in der Ruhe des Alltags ein Riß zeigt, dann wirkt das nach. „So senkt sich das etwa so herab wie die Ruhe eines Schneefalls. Mit einemmal stehen Wände da, von der Erde bis in den Himmel; wo früher Luft gewesen ist, schreitet man durch weiche dicke Mauern, und alle Stimmen, die im Käfig der Luft von einer Stelle zur anderen gehüpft sind, gehen nun frei in den bis ins innerste zusammengewachsenen weißen Wänden.“ 

Es sind solche Sätze von „anderen Bewusstseinszuständen“, die die Bewunderer Musils lesen wollen. Sie erkennen darin ihr melancholisches Bedürfnis nach geteilter Melancholie endlich gewürdigt. Ich selbst, etwas knorriger, fühle mich eher zu seinem „soziologischen“ Blick hingezogen. Aber, ich muss gestehen, einnehmend sind sie, diese Sätze, die sich mit der „Ruhe eines Schneefalls“ ins Lesebewusstsein legen. „Man hat eine zweite Heimat, in der alles, was man tut, unschuldig ist.“ Da muss man sich einfach geschlagen geben. 

Es mag einem Realisten ja zunächst manieriert vorkommen, wenn jemand seine Geliebte Bonadea nennt. Typisch Kakanien halt. Aber dann, in solchem Sprachzaubernebel, erscheint es selbst ihm plötzlich selbstverständlich: wie könnte eine Geliebte je anders heißen? Und dann sieht man wie  „die halb hochgezogenen Kleider von neuem am Teppich den kleinen, reizend mythologischen Schaumkrater“ bilden, „aus dem Aphrodite hervorsteigt

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