„Ulrich“, einer der kakanischen Männer ohne Eigenschaften und Held in Musils Roman, „hört Stimmen“. Er meint, nicht dazu zu neigen, er „ist“ schließlich Mathematiker. Und dann hört er sie doch.
Haben Sie in Ihrem Leben schon „Stimmen gehört“? Nee? Also ich glaube schon. Man geht aus dem Meeting mit dem Chef und dann, dann fällt’s einem ein. Das hätte man sagen sollen. Und alles läuft nochmal vor dem geistigen Auge ab, nicht genauso wie’s war, sondern mit den kleinen Änderungen der Reflexions-Regie: das eine hätte etwas ausdrucksvoller gesagt werden müssen, anderes wäre besser großzügig abgetan worden. Und auch der eigene Sprechtext wird schließlich leicht verändert und ergänzt. Meist ist es mit einer Wiederaufnahme des Erinnerungsstücks nicht getan. Immer und immer wieder spielt es sich in leichten Variationen ab. Was war nochmal das Stück, das nachgespielt wurde? Und wie war es eigentlich?
Aber nicht die Stimmen selbst oder gar ihre außerweltliche Wahrheit sind das Denkwürdige. Es ist vielmehr der „außerweltliche“ Bewusstseinszustand in den wir verfallen und aus dem wir uns oft auch mit großer Entschlossenheit nicht befreien können. Wir wollen an etwas anderes denken und bleiben gefangen. „Und plötzlich zogen sich seine Gedanken zusammen, und als ob er durch einen entstandenen Riß blickte, sah er“ alles wieder vor sich und zu ihm sprechen. Es kommt über uns und verlässt uns nur, in dem es sich durch Wiederholung erschöpft.
Wenn’s gut geht, dann können wir durch den „entstandenen Riß“ in unserem Alltagsbewusstsein weit hinaus auf bislang Unzugängliches schauen:
Ich habe Stimmen gehört
Ich habe Dinge gesehen
Die waren so schön
Wie nichts auf der Welt
Ich hab die Schwelle gekreuzt
In die Unendlichkeit
Der Weg war weit
Ich war wie Treibholz der Zeit
Das reklamieren die Künstler für sich. Und im Kleinen, nämlich ohne künstlerische Ausdruckskraft, hängen wir diesen Aussichten verträumt nach. Wachen wir auf, dann würden wir gerne wieder einschlafen, um die Stimmen nochmal zu hören.