Inside Kakanien I.13: Urlaub vom Leben

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Genies sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Sie waren beispiellose Schöpfer, die ohne an Regeln gebunden zu sein, etwas Großartiges, nie Dagewesenes schufen, dessen Bedeutsamkeit für sich sprach. Aus dem Genie sprachen – antik formuliert – die Musen und ließen ihn „göttliche“ Botschaften senden. In den Massenmedien ist nun von „genialen Fußballern“ die Rede oder vom „Genie im Boxring“. Sogar vom „genialen Rennpferd“ kann man lesen: „Es stand in einem Bericht über einen aufsehenerregenden Rennbahnerfolg, und der Schreiber war sich der ganzen Größe des Einfalls vielleicht gar nicht bewußt gewesen, den ihm der Geist der Gemeinschaft in die Feder geschoben hatte.“ Vielleicht gibt es inzwischen tatsächlich einen „unentrinnbaren Zusammenhang“ zwischen großen Geistern und „diesem Genie der Rennpferde“? Es kommt auf „Performance“ an. Wissenschaft erscheint ,  ein entbehrungsreiches Training für den Fall, dass die erworbenen Fähigkeiten mal zum Einsatz kommen. Die Wissenschaft ist den morgendlichen gymnastischen Dehn- und Stretch-Übungen, Liegestützen und Sit-Ups, die uns Fit für neue Abenteuer, Herausforderungen genannt, machen sollen: „Eine Stunde [Fitnesstraining] täglich, das ist ein Zwölftel des bewußten Lebens, und sie genügt, um einen geübten Leib in dem Zustand eines Panthers zu erhalten, der jedes Abenteuers gewärtig ist; aber sie wird hingegeben für eine sinnlose Erwartung, denn niemals kommen die Abenteuer, die einer solchen Vorbereitung würdig wären.“ So gleicht der moderne Wissenschaftler „einem Manne […], der eine Bergkette nach der anderen überstiegen hat, ohne ein Ziel zu sehen.“ Das Ziel erschöpft sich in der optimalen Vorbereitung für alles Mögliche. Der Musilsche Held entschließt sich „ein Jahr Urlaub von seinem Leben zu nehmen, um eine angemessene Anwendung seiner Fähigkeiten zu suchen“ statt sie weiter ziellos zu verbessern. Kein schlechter Tipp mit commons Lizenz – Sie dürfen es nachmachen auch wenn sie sich (noch) nicht zu den Genies rechnen.

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