Auch ein Mann ohne Eigenschaften hat einen Vater. Die Eigenschaften unserer Väter sind in vielem maßgebend – für uns und für die Welt, in die wir von ihnen gestellt wurden. Der alte Herr des neuen eigenschaftslosen Manns ist ein überaus erfolgreicher und also wohlhabender, um nicht zu sagen, reicher Bürger, der schließlich dank seiner Verdienste in den Adelsstand erhoben wurde. Wer dem Adel hilft, wird geadelt. Und das Erheben in den Adelsstand hebt den Unterschied nicht auf, sondern bestätigt ihn. In der Anerkennung unverdientem, auf keiner Leistung beruhendem Vorzugs gründet das Gemeinwesen. Das fordern die Väter von den Söhnen. „So kannte sein Sohn dieses aristokratische Talent eines fast unbewußt, aber sicher wägenden Hochmuts von Jugend auf, welches das Maß einer Freundlichkeit gerade richtig bemißt, und die Unterwürfigkeit eines immerhin zum geistigen Adel gehörenden Menschen vor den Besitzern von Pferden, Äckern und Traditionen hatte ihn immer gereizt.“ Wir nennen das heute „symbolisches Kapital“. Nur wer das garantiert und anständig verzinst, verhält sich standesgemäß. Wer sich wie der Mann ohne Eigenschaften in einem Stadtschlösschen niederlässt, benimmt sich daneben und ist „passive aggressive“; er zeigt delegitimierende Ignoranz. „Der alte Herr ist entsetzt.“ Ent-setzt droht die alte Ordnung ihre Wurzeln zu verlieren. Väter und Söhne treiben auseinander – es tut sich ein Spalt auf, in dem 1914 die alte Welt untergeht.
Inside Kakanien I.3: Das symbolische Kapital der Väter
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