Es geht ums Spiel unseres Lebens. Im Buch Wer wenn nicht wir? von Sven Böttcher[1] spielen „Team Bill“ und „Team Mensch“. Das Spielfeld ist die Erde.
Ziel beider Teams ist es, ein menschen-freundliches Leben zu gestalten, wenn auch mit komplett unterschiedlichen Mitteln und Ansichten darüber, was lebenswert ist. Böse Absichten sind bei den beiden hier betrachteten Plänen (…) nicht zu unterstellen, im Gegenteil – beide Planungsteams verfolgen hehre Ziele.
Beide Teams teilen dieselbe Grundannahme: Das Einzige, was die größten Probleme der Welt verbindet, sind wir. Es besteht insofern große Einigkeit, dass wir vieles grundsätzlich ändern müssen, wollen wir nicht untergehen. Team Bill und Team Mensch wissen, dass die Welt dringend neu geordnet werden muss. Hinsichtlich des „Wie“ aber könnte die Uneinigkeit nicht größer sein.[2]
Team Bill
Team Bill steht für die reichsten und einflussreichsten Menschen auf der Welt. Darunter eben Bill Gates und die Tech-Giganten wie Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft, der Teamgefährte Klaus Schwab als Weltchefökonom, und weitere Player. Weltweit ist die Wirtschaftskraft von 147 Unternehmen größer, als die aller Staaten. Aus den Eigentümern und Großaktionären dieser Unternehmen dürfte sich das Team Bill zusammensetzen. Team Bill verfügt also über Mittel und Wege, diverse Universitäten, (halb-)staatliche Institutionen wie die WHO[3], NGOs, und die Leitmedien geeignet zu unterstützen, um die Welt zu retten. Team Bill sieht, dass die Welt dem Untergang geweiht ist, wenn wir so weitermachen wie bisher. Der Kapitalismus muss abgeschafft werden, um unseren Planeten weiterhin zu erhalten. Ebenso müssen Emissionen reduziert, sowie das Wachstum der Menschheit eingedämmt werden. Wir müssen uns ändern. Wir leben in einem autodestruktiven System und Team Bill kann uns vor uns selbst retten. Dazu braucht es globale Allianzen[4]. Denn Appelle an die Vernunft führen erkennbar, nachweislich, zu nichts. Es bedarf es klarer Absprachen und Regeln. Leitplanken und Einschränkungen.
Team Bill und die GAFAschisten[5] setzen beim Errichten einer neuen Weltordnung mittels Neustarts auf Künstliche Intelligenz, Technik & Daten und somit auf einen von allen akzeptierten Überblick zu sozialem, ökologischem und medizinischem Verhalten. Wie das WEF es formuliert: „Wir können unser Verhalten ändern, um wieder in Harmonie mit der Natur zu sein, und wir können schauen, dass die neue Technik der vierten industriellen Revolution in bester Weise verwendet wird, um uns ein besseres Leben zu gestalten.“
Geopfert werden muss dabei die individuelle Freiheit als solidarische Transparenz zum Nutzen der gesamten Menschheitsfamilie. Ein Strategie-Strang könnte so aussehen: Aus der kreativen Zerstörung des Wirtschaftslebens erwächst die Notwendigkeit eines echten Nothilfeprogramms für alle – eines bedingungslosen Grundeinkommens in Form einer neuen digitalen Währung, deren Ausgabe gekoppelt ist ans Solidarverhalten des Einzelnen. (…) Solidarische Leistung muss sich wieder lohnen. Und das wird sie. Vollständig transparent.
Die Grundlagen für diese Transparenz gibt es schon: An der „Bürgernummer“ wird in Deutschland seit 2021 gearbeitet, sämtliche Daten werden von Alexa, Smartwatch und Smartphone gesammelt. Auch (Selbst-)Gespräche in Hörweite des Smartphones werden mittlerweile protokolliert. Das WEF puscht das Metaverse[6], damit wir alle komplett in die virtuelle Welt einsteigen können. Auf Seiten der Guten.
Mittels Kontrolle und hyperintelligenter KI werden wir also gerettet, nicht nur, was den besten Weg aus dem Stau betrifft, sondern den für uns besten Weg durch unser Leben. Niemand kann sich mehr danebenbenehmen, auch nicht ein bisschen: unbemerkt blaumachen, eine Affäre anfangen, seine Tablette ausnahmsweise mal weglassen. Wir alle haben mittels KI eine große Helikoptermutter, die es wirklich gut mit uns meint.
Auch wenn die Beschreibung des Team Bill (wahrscheinlich nicht nur) für meine Ohren ziemlich dystopisch klingt, kommt die Story leichtfüßig, um nicht zu sagen „schmissig“ rüber. Kurze Sätze, eine Prise Ironie, zugleich fundiert mit einigem Zahlenmaterial und vielen Quellenangaben. – Sven Böttcher eben.
Team Mensch
Es ist nicht bekannt, wie viele Mitglieder das Team Mensch hat. Öffentliche Bekenntnisse, der Gruppe anzugehören gibt es nicht, da Teammenschen derzeit damit rechnen müssen, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden. Team Mensch ist nicht offensichtlich, agiert dezentral und ungesteuert. Team Mensch setzt auf Verbundenheit, nachbarschaftliche Beziehungen, Selber-Machen, Vorsorge, dezentrale Strukturen, Technik dort, wo man sie braucht, als Unterstützung.
Die Mitglieder des Team Mensch haben von Kindesbeinen an die Freiheit gekostet, und so was macht abhängig. Team Mensch sympathisiert mit basis- und liquiddemokratischem Gedankengut, ist frei, gerecht, solidarisch, vor allem aber getragen vom Glauben an des Menschen Anstand und seine Fähigkeit zu gelebter Güte und Vertrauen.
Die ausführlich beschriebenen Grundlagen des Team Mensch sind Güte, es kanzelt niemanden ab und cancelt keinen weg, Vertrauen, Wissen um die eigene Sterblichkeit, Skepsis – auch den eigenen Ansichten gegenüber, Freiheit, Menschlichkeit im Wissen: Wir sind alle Menschen. Das zukünftige Verhalten soll sich aus diesen Grundlagen fast vollständig von selbst ergeben. Eine solche Gesellschaft kommt ohne Zwang und mit wenig Kontrolle aus. Die Demokratie wird umgebaut. Es gibt kein Parteiensystem mehr, und das Parlament wird aus zufällig, repräsentativ ausgewählten Volksvertretern bestimmt. Außerdem gibt es ja vielfältige Möglichkeiten, Live-Diskussionen zu führen und mitzuentscheiden. Wozu haben wir denn Netze? Auf wirtschaftlicher Ebene strebt das Team eine Gratiskultur an. Es geht nicht mehr um Wertschöpfung, sondern um Wertschätzung. Bei all dem wahrhaft Menschlichen unterstützen und dienen Maschinen und KI nach dem Willen der Teammenschen.
Das Team Mensch hat zum Gleich-Mitspielen pragmatische Parolen:
- Sich verbünden: sucht und findet einander. (Ein schöner Gedanke dazu aus den Buchabschluss-Schmierzettel-Denkanstößen: Konspirieren kommt von con – zusammen, spire – atmen: gemeinsam zu atmen)
- Sich gegenseitig unterstützen: Zahlen und Schenken. (Teammenschen zahlen für relevante Medien-Inhalte, die sie regelmäßig konsumieren und verschenken alles Mögliche, ohne Bedingung, ohne Erklärung. Team Mensch strebt eine Gratiskultur an. Bis es soweit ist, kann man schon mal mit dem Schenken beginnen, und sich selbst, oder auch dem Beschenkten ein Lächeln ins Gesicht zaubern.)
- Sich versorgen und vorsorgen (Teammenschen können Lebensmittel selbst anbauen – bestenfalls gemeinsam mit anderen, oder nur ein Mini-Fensterbrett-Beet, auch das verändert den Blick auf Lebensmittel und -konsum. Außerdem schaffen sich die Leute vom Team Mensch sich ein paar Vorräte an, damit sie bei einem Crash nicht völlig doof dastehen: ein paar Kisten Wasser, ein paar Packungen Nudeln, Batterien und Taschenlampen sind mindestens von Nöten. Außerdem sollte man auch immer einen größeren Vorrat Bargeld in Reichweite haben – das ist auch stromlos zu bedienen.)
- Die Zukunft beschützen, sie gehört unseren Kindern. Wir bedenken die Folgen unseres Tuns. (…) Wir fackeln nicht alles ab und hinterlassen nicht unseren Kindern rauchende Ruinen.
- Wichtigste Parole für alle Teammenschen und Sympathisanten: Beruhigt Euch! Wir alle haben ein Dach über dem Kopf, Straßen, Autos, Krankenhäuser und genügend Energie für private Haushalte. Die entscheidende Erkenntnis, die Basis für alles ist, in Mantraform zum Weitersagen: Ihr habt alles. Es wird Euch an nichts mangeln. Fürchtet Euch nicht.
Wie genau sieht jetzt die Zukunft aus und wie kommen wir dorthin…?
Hörte ich mich nach der Lektüre fragen, und muss selbstkritisch erkennen, dass es Team Mensch wohl inhärent ist, dass eben nicht en Detail festgelegt ist, wie genau unsere Zukunft aussieht. Das Zukunfts-Bild wird nicht von wenigen entworfen und geplant, sondern entwickelt sich gemeinschaftlich in der Umsetzung. Sonst wäre Team Mensch nicht Team Mensch, sondern eben Team Bill.
Sven Böttcher skizziert Ideen zu diesem Zukunfts-Bild und gibt uns die Leinwand und eine Grundausstattung an Farben an die Hand. Aber wir müssen loslegen, tätig werden, erste Schritte gehen und dann schauen, was passiert – getreu des Buchtitels „Wer, wenn nicht wir?“. Ja, WIR! Stattdessen warten wir, bis irgendjemand uns an die Hand nimmt, uns eine ganz konkrete Lösung bietet und sie dann auch noch für uns „anbahnt“: Ja klar, wenn uns einer eine Adresse sagt, würden wir da schon hinfahren und uns einbringen – bei einem (natürlich gut moderierten und durchdachten) Workshop, oder so… und in eine Netzwerkliste würden wir uns auch eintragen lassen. Aber: Wir müssen vor Ort selber was auf die Beine stellen. Und uns mit anderen vernetzen, die ebenfalls etwas aufgebaut haben bzw. bauen wollen.
Wir haben es uns (etwas zu) schön eingerichtet in unseren Schuhkartons (bzw. Wohnungen), und wollen die ganze Welt in unsere Wohnzimmer holen. Dazu gehen wir tagsüber raus, machen Bullshitjobs, und ansonsten wollen wir unsere Ruhe haben. Loslegen? Engagieren? Wie ging das nochmal? Vereine, Garten-Projekte, Leihläden, Fahrrad-Reparatur-Werkstatt etc. sind da keine schlechte Idee für den Anfang. Am besten gemeinsam mit friedliebenden Menschen, die sich auch mal täuschen können, und situativ entscheiden, was gerade das Beste ist.
Folgen wir doch dem bekannten Slogan: Wohnst Du noch oder lebst Du schon? – Also raus aus der Box!
Wer gewinnt?
Ich meine, es ist kein gemeinsames Spiel, sondern zwei Teams, die unterschiedliche Spiele spielen, auf dem gemeinsamen Lebensfeld. Team Bill spielt ein verdammt gutes, profi-teures Champions League Endspiel, Team Mensch spielt ein Heim-Vereins-Aufstiegsspiel mit ambitionierten Kirchweih-Kumpels, die bereits die ein und andere gemeinsam-durchzechte Nacht hinter sich haben, es gibt eine Kinder-Olympiade, Familien-Grillen und Kuchen-Verkauf – natürlich auf Spendenbasis für die neue PV-Anlage auf dem Dach des Vereinsheims.
Die einen sind Profis mit großer Zuschauer-Tribüne und erkennbar eingekleideten Fans, die anderen Freizeit-Kicker mit ihren (Ex-) Freundinnen, Familien, Kumpels und den üblichen Dauer-Nörglern am Spielfeld-Rand hinter der Bande. Die einen feiern ein Groß-Event, die anderen einen Sonntagnachmittag.
Beim Champions League Spiel mit Team Bill werden wir weiterhin zuschauen können, bekommen sogar freien Eintritt, wenn wir uns gut verhalten haben. Spitzenspiele sind also weiterhin garantiert! Im Winter werden für Frierende warme Gemeinschaftsunterkünfte angeboten, die in Familien- bzw. Single-Appartements unterteilt wurden. Die Mehrheit kann sich via grünem QR-Code ohne Probleme dort einchecken. Glücklicherweise mit starkem Internet versehen, so dass das abendliche Streamen in jedem Appartement möglich ist. Die meisten sind in ihrer Box versorgt.
Der Heimverein um Team Mensch spielt sonntags jetzt in der Kreisliga – mal schauen, ob sie sich dort halten können. Die Frauen-Mannschaft ist übrigens auch aufgestiegen. Es werden laufend Jugend-Trainer und ehrenamtliche Rasenmäher gesucht. Beim Bau der Frauen-Umkleide haben ziemlich viele mit angepackt und beinahe wäre die PV -Anlage auf dem Dach im Herbst nicht fertig geworden. Mit vereinten Kräften hat es dann doch geklappt. Alle, die im Winter in den Genuss einer warmen Unterkunft kommen möchten, kommen allabendlich dort zusammen, auch wenn der gemeinsame Film nicht immer jedermanns Geschmack trifft. Die Bandbreite gibt keine Parallel-Vorstellungen her… Manche übernachteten anfänglich auch im Sportheim. Das war tatsächlich etwas ungemütlich. Außerdem drifteten die Bettzeiten der jüngeren und älteren Biertrinker doch etwas auseinander… Bald ergaben sich „Übernachtungsgemeinschaften“ mit jenen Familien, die Holzöfen und PV-Anlagen am Laufen hatten. So konnten alle einigermaßen gut, mit viel Spontaneität, Reibung und Freude, über die kalte Jahreszeit kommen.
Bleibt die Frage, wer gewinnt, wenn die beiden Teams unterschiedliche Spiele spielen? Muss überhaupt jemand gewinnen, werden sich Parallel-Welten entwickeln? Oder ergibt sich das ohnehin von selbst:
Vielleicht wird es bei Team Bill irgendwann keine Zuschauer mehr geben? Leere Stadien hatten wir ja schon mal… auch die Übertragung interessiert nicht mehr so, wenn die eigenen (Paten-)Kinder am Sonntagnachmittag live mitkicken und es darüber hinaus am Sportplatz wie immer einiges zu diskutieren, organisieren und anpacken gibt. Außerdem gibt’s dort lecker-kühles Bier aus der Flasche – und nicht aus dem Papp-Becher 😉
Mittendrin statt nur dabei – ist zwar nicht so Hochglanz, und manche Leute können auch ziemlich nerven, aber unterm Strich fühlt sich das irgendwie lebendiger an.
[1] Sven Böttcher, Wer, wenn nicht wir? Anleitung für unser Endspiel um die Zukunft, München, 2021.
Alle Zitate (kursiv) sind dem Buch entnommen.
[2] Politiker*innen spielen übrigens im „Team Old“, dem keine weitere Beachtung geschenkt wird.
[3] Die WHO wird mittlerweile zu 80 % von privaten Geldgebern und Stiftungen finanziert. Größter privater Geldgeber ist die Bill und Melinda Gates Stiftung. Seit der Jahrtausendwende hat die Gates-Stiftung der WHO insgesamt 2,5 Milliarden Dollar gespendet. (SWR, 2017) Auch die Johns Hopkins University wurde mit ca. 200 Millionen Dollar bedacht (Zwecke: Public Health und Familienplanung). Um nur zwei Beispiele zu nennen. Alle, die sich selbst ein Bild verschaffen möchten, z.B. auch über die 2,5 Mio, die DER SPIEGEL erhalten hat, werden hier fündig: https://www.gatesfoundation.org/about/committed-grants . Die Bill und Melinda Gates Stiftung ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt der Mittel und Wege des Gesamtteams.
[4] Direkt nachzulesen, z.B. hier: https://www.gatesnotes.com/Health/Meet-the-GERM-team oder hier: https://www.gatesnotes.com/2021-Annual-letter oder Hararis Warnung zur Künstlichen Intelligenz an das World Economic Forum: https://www.weforum.org/agenda/2020/01/yuval-hararis-warning-davos-speech-future-predications/
[5] Ein Kosename für die vier apokalyptischen Reiter Google, Amazon, Facebook und Apple (vgl. „The Four“ von Scott Galloway)