Freundschaften

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Aus gegebenem Anlass,
CR zum 53.

Ein gutes Leben ist eines mit und unter Freunden. Freunde sind fürs menschliche Glück not-wendig. „Keiner möchte ohne Freunde leben, auch wenn er alle übrigen Güter hätte.[1] Die Güter werden erst im freundschaftlichen Gebrauch richtig gut: Freunde gewähren einander die Güter, die zum guten Leben gehören. Für den Menschen gibt es kein absolutes, es gibt für ihn Glück nur als geteiltes. Menschliches Glück gibt es nur unter Menschen und Freundschaft nur als Freundschaften. Freundschaft ist etwas Besonderes, aber nichts Einmaliges. Ein guter Freund hat auch andere Freunde, die man selbst nicht zu seinen Freunden rechnen muss. Und so gehört es vielleicht zum Wesen der Freundschaft, dass der Freund Freunde hat, denen man selbst nicht freund sein kann, weil sie uns nicht gefallen. 

Freunde finden Gefallen an einander. Zur Freundschaft gehört Wechselseitigkeit und Ausdrücklichkeit – man muss nicht drüber reden, aber man muss um sie wissen und kann sich darin täuschen. Neben dem wahren Freund findet sich in jedem Leben auch der falsche, von dem wir enttäuscht werden. Die Ent-täuschung zeigt das Wesen der Freundschaft.

Die moderne Ethik hat um dieses Wesen kein großes Aufheben mehr gemacht. Die Pflicht hat das Glück aus der Ethik verdrängt. Man wurde moralisch und hielt den ordo amoris, die Bevorzugung einiger vor allen anderen für unmoralisch. Die Freundschaft wurde aus der akademischen Ethik in die psychologischen Nebenräume oder gar esoterisch ins Allerheiligste verbannt. Das Akademische wollte das Allgemeingültige festhalten und musste sich deshalb vom Leben entfernen.

Freundschaften aber kommen und gehen. Und das ist gut so. Dass wir auch nur für kurze Zeit Freunde sein können, während der Schule z.B. oder im Urlaub, bestätigt die Kraft der Freundschaft. Wer nur wahren Freunden Gastfreund zu sein vermag, ist vermutlich wahrer Freundschaft nicht fähig. Freunde bleibt man nur durch Zuwendung. Freundschaften wollen gepflegt sein – man muss miteinander freundschaftlich umgehen. Nichts ist fürs Glück „notwendiger“ als das.

 

[1] Aristoteles, EN VIII 1, 1155a. Aristoteles spricht vom „Notwendigsten im Leben“ (ἀναγκαιότατον εἰς τὸν βίον).