Johann Heinrich Füssli: Die drei Eidgenossen beim Schwur auf dem Rütli (Ölgemälde von 1780) – Kunsthaus, Zürich (Wikimedia)
Ich interessiere mich bekanntlich nicht für Politik. Nicht zuletzt weil ich ihr misstraue und nichts Gutes von ihr erwarte. Mir kommt sie wie ein Zirkus aus Teilnehmern von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vor. Warum sollte ich dann ein Buch über Politik – also „unsere“ Politik ?! – lesen, das mit einem solch schwer erträglichem Satz beginnt?: „Eine Demokratietheorie, die das Prinzip der Volksouveränität als ihren zentralen Gegenstand behandelt, ist nicht nur Mißverständnissen ausgesetzt, sondern auch durch aktuelle innergesellschaftliche und globale Entwicklungen herausgefordert, die Volkssouveränität einerseits durch die Dezentralisierung nationalstaatlicher Politik, andererseits durch den Bedeutungsverlust des Nationalstaats selbst obsolet erscheinen lassen.“
Ganz ehrlich? Wegen Jürgen Habermas! In seinem eindrucksvollen opus magnum „Auch eine Geschichte der Philosophie“ (2019) führt er neben vielen mir bekannten Wegbegleitern auch Ingeborg Maus an, die mir völlig unbekannt war. Google sagte mir dann, dass sie eine emeritierte Politikwissenschaftlerin aus Frankfurt sei, die über „Demokratie“ (oh weh) und „Volkssouveränität“ (noch so’n „Aufklärungsding“) geschrieben hat. Dass sie das Ganze wohl vor allem mit Blick auf Kant ausgearbeitet hat, hätte mein Interesse ja eigentlich wecken können, verstärkte aber eher den Verdacht, dass es sich da um eine „klassische“, reflexiv anspruchsvolle und politisch motivierte Theorie-„Aufarbeitung“ zur Dritt-Mittel-Verwertung handelt. Frankfurt halt. Also: interessiert mich nicht. Man hat ja genug zu lesen. Z.B. Habermas. Aber dort stoße ich gleich wieder auf Ingeborg Maus, diesmal im Zusammenhang mit Globalisierung – also gut, dann bestell’ ich mir mal was. Aber was? Als überzeugter Nicht-Wähler, der Demokratie eher in anderen Formen als der „repräsentativen“ Parteien Demokratie (ja fast ein Widerspruch in sich!?) verwirklicht sieht, entschließe ich mich zu ihrem 2019 in zweiter Auflage erschienen „Über Volksouveränität. Elemente einer Demokratietheorie“.
Und was soll ich jetzt sagen? Danke, Jürgen Habermas für diesen „Dating“-Kontakt? Ja, nein. Danke vor allem Frau Maus, für Ihr „sperrig“ geschriebenes, gehaltvolles und anregendes, unprätentiös präzises und höchst aktuelles Buch. Ich habe in den letzten Jahren selten so viel so schnell über etwas gelernt, was mir völlig entgangen wäre, hätten Sie nicht darüber geschrieben.
Legitimation durch Verfahren
Es geht um „unsere“, na ja, „diese“ Demokratie, in der wir heute insbesondere im „Westen“ leben. Die ideengeschichtlichen Grundlagen dafür reichen ins 16. Jahrhundert zurück und entwickeln sich über die Entwürfe des 17. und 18. Jahrhunderts (Hobbes, Locke, Rousseau, Kant). Zentrale Herausforderung ist dabei die Legitimation staatlicher Herrschaft jenseits naturrechtlicher, theologisch-metaphysischer Rechtsgründe. Die Volkssouveränität (Locke, Rousseau, Kant) ersetzt tradierte, vorgegebene Rechtsordnungen, deren Legitimität in der Neuzeit (insbesondere in Zeiten der Religionskriege) fraglich werden, „durch selbstbegründete“.
Staatliche Ordnung und Herrschaft gilt nicht deshalb als „legitim“, weil sie sich aus einer materialen Güterordnung ableitet, die natürlich oder übernatürlich gesetzt ist, sondern weil sie einer freien Vereinbarung der Betroffenen entspringt, die sich auf Verfahren der Einsetzung und der Kontrolle des staatlichen Machtmonopols verständigen. Die wegbereitende Konstruktionsidee ist der Vertrag, den unabhängige Vertragspartner schließen. Im Gesellschaftsvertrag gibt sich das Volk der Freien und Gleichen die Struktur ihres politischen Zusammenlebens, die Freiheit und Gleichheit wahrt und stärkt.
Gewaltenteilung
Die theoretischen Baumeister des modernen Staats (Locke, Rousseau, Kant) ersetzen aber nicht nur den absoluten Monarchen durch das souveräne Volk. Die demokratische Ordnung, die sie im Sinn haben, ist keine „absolute Demokratie“, sondern eine mit Gewaltenteilung, der sich das Volk in seiner Gesetzgebung selbst unterwirft. Anders als in antiken „Demokratien“, in denen z.B. die Volksversammlung auch judikative (und exekutive) Aufgaben übernehmen konnte, begrenzen sie die Herrschaft des Volkes auf die Gesetzgebung. „Volkssouveränität“ besagt deshalb „in langer ideengeschichtlicher Tradition“ vor allem, „daß die Gesetzgebung ausschließlich dem ‚Volk‘ … zukomme“.
Auch die Gewaltenteilung wird formal begründet. Sie setzt auf die Unterscheidung von allgemeinen Regeln (Gesetzen) und ihrer Anwendung auf Einzelfälle. Der Gesetzgeber gibt bei der Gesetzgebung nur das Allgemeine vor, das für alle gilt, und er sollte dabei (idealer Weise) nicht wissen, wer vom Gesetz betroffen ist und als Fall unter das Gesetz fällt. Das veransch(l)aulicht John Rawls mit dem Schleier des Nichtwissens wird, worin wir die Augenbinde der gesetzgebenden Justitia wiederfinden: wer den Kuchen teilt (der Gesetzgeber) weiß nicht, welches Stück wem zugeteilt wird. Judikative und Exekutive sind wiederum ausschließlich für den Einzelfall (also die Zuteilung) zuständig, nicht aber für die (innovative) Weiterentwicklung der allgemeinen Vorschrift (des Gesetzes).
Volkssouveränität und prozessuale Gewaltenteilung sind das Bauprinzip der modernen Demokratien und gehen so seit der amerikanischen Verfassung von 1787/88 und der französischen von 1791 mehr oder weniger explizit in ihre Verfassungen ein. (Ich bin hier kein Experte 😉 – Ingeborg Maus hingegen erläutert sehr anschaulich die Unterschiede zwischen dem amerikanischen und der französischen Verfassungstypus).
Das Grundgesetz sieht sich ausdrücklich in dieser Tradition. Die Präambel weist das „das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt“ als Souverän aus und stellt dann klar, dass „alle Staatsgewalt … vom Volke“ ausgehe (Art. 20).
Grundrechte
Eine Besonderheit des Grundgesetzes scheint nun zu sein, dass der eigentlichen (prozessualen) Verfassungsordnung, die mit dem schon zitierten Artikel 20 beginnt, Grundrechte vorausgehen, die als vorgegebene, unantastbare (gleichsam „heilige“ Werte) die Volkssouveränität begrenzen. So ist nach Artikel 1 „die Würde des Menschen … unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.… Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“ Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Erfahrungen der „Weimarer“ Republik, eine (wertorientierte) Absicherung der Verfassung mit Grundrechten geboten erscheinen ließ.
Weimar und das Volk
Der Aufstieg des Nationalsozialismus und die Machtergreifung ab 1933 wird dann freilich merkwürdig interpretiert. Nicht die grundrechtlich verirrte „Macht des Volkes“ hat die Weimarer Demokratie zerstört:
- die Nazis sind nicht durch den „Wählerwillen“ zur Macht gekommen (sie kamen bei den letzten freien Wahlen auf 33,1%), sondern „durch die Funktionseliten, die das Ermächtigungsgesetz beschlossen“ und
- nicht „populistische“ oder gar nationalsozialistische Plebiszite waren dabei verhängnisvoll, sondern „die übergroße Macht des Reichspräsidenten“.
Allenfalls könnte man das Wahlrecht und insbesondere die „unmoderne“ Auffassung der demokratischen Souveränität dafür verantwortlich machen – also eher formale Verfahrensschwächen als das Fehlen materialer Wertordnungen.
Tatsächlich hatte auch die Weimarer-Verfassung durchaus „Grundrechte“, sie bilden dort anders als im Grundgesetz den „Zweiten Hauptteil“, während der „Erste“ (den prozessualen) Aufbau des Staates und seiner Organe beschreibt. Die „Feinde der Weimarer Demokratie“ störten sich freilich nicht an den „materialen“ Werten der Grundrechte, sondern an dem aus ihrer Sicht „inhaltslosen und wertneutralen Funktionalismus“ des organisatorischen Verfassungsteil, der das Prozedere der Demokratie festlegt. Carl Schmitt wettert z.B. in „Legalität und Legitmität“ (1932) gegen „den Abgrund der Beliebigkeit“ des parlamentarischen Verfahrens und setzt dagegen die „überpositive Würde der Grundrechte als des verfassungsrechtlich Unverfügbaren“.
Grundrechte aber sind kein höheres, „vorpositives“ Recht, auf das der Souverän, das „Volk“, verpflichtet wäre (es sind „Rechte“, keine Pflichten) – sie machen ihn aus. Die Grundrechte bringen zum Ausdruck, worin „Volkssouveränität“ besteht und sind damit per se nichts, was „vor“ dem Volk geschützt werden müsste. Es sind, wie Kant sagt, „unverlierbare Rechte“, die jeder Mensch hat, und „die er nicht einmal aufgeben kann, wenn er auch wollte, und über die er selbst zu urteilen befugt ist“ – man könnte sagen: nur (!) er zu urteilen befugt ist.
Exorzismus der Volkssouveränität
Es ist sicherlich „richtig und wichtig“, sich zu fragen, wie es geschehen konnte, dass das „Land der Dichter & Denker“ sich bereitwillig dem Nationalsozialismus ergab. Und dabei kann es natürlich helfen, sich auf „Grundrechte“, „Menschen- und Völkerrecht“ zu besinnen und sich zu ihnen demonstrativ zu bekennen. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich die Grundrechte bei einem falschen, autoritären (oder „naturrechtlichen“) Verständnis gegen den Souverän selbst wenden, dem sie eigen sind und der der Grund ihrer „Rechtsgeltung“ ist. Geht man von der Priorität einer vorgegebenen (göttlichen, naturrechtlichen) Rechtsordnung aus, dann ist Wahrung dieser („heiligen“ oder „natürlichen“) Rechte Sache von „Experten“, nicht des Volks: die (judikative) Auslegung und (exekutive) Einsetzung eines die Volksouveränität bindenden Rechts ist dann Sache einer „Gerechtigkeitsexpertokratie“. „Demokratische Willensbildung wird folgerichtig durch die Interpretation ‚souveräner‘, vorgegebener Verfassungsinhalte ersetzt.“ Aus „Rechten“, die die Legitimierung zur Rechtssetzung und staatlichen Ordnung beschreiben, werden Grundrechte zu (freischwebenden, vorausgehenden) Rechten, die die Exekutive und insbesondere die judikative gegen das Volk wahren zu müssen glaubt.
Seine vorrangige Aufgabe hätte das Gericht vielmehr darin, (judikativ) die formal prozessuale Gewaltenteilung zu gewährleisten und also die Verfahren der Rechtssetzung, Rechtsprechung und Rechtsanwendung und insbesondere die verfahrenskonforme Exekution des Gewaltmonopols zu beurteilen. Das Verfassungsgericht sieht sich dagegen immer mehr in der Rolle des „Hüters der Verfassung“ und versucht, die vorgegebene Verfassung auf ihre Inhalte und ihren Geist zu interpretieren – analog zum göttlichen Gesetz oder dem Naturrecht –und verkehrt damit, die der Verfassung zugrundeliegende Idee der Volkssouveränität. Die Verfassung wird „zu einem Kompendium abschließend geltender Inhalte“.
Vom „Volk“ reden wir inzwischen auch nicht mehr gerne und nennen es lieber „Bevölkerung“ oder „Bürger“. „Daß einem gegenwärtig verbreiteten Bewußtsein Volkssouveränität geradezu als Gefährdung der Menschenrechte erscheint, belegt den dramatischen Wandel gegenüber Demokratietheorie und Verfassungskonzept der Aufklärung.“ Das „Volk“, insbesondere dasjenige das (zurecht oder nicht) mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ auftritt, gilt nicht selten (in der „Mainstream Öffentlichkeit“) als Gefährdung der Souveränität und des Staats – was im allgegenwärtigen Vorwurf des Populismus mündet. Wofür das Etikett „Links-“ oder „Rechtsradikaler“, „Extremist“ und neuerdings „Verschwörungstheoretiker“ nicht taugt, dem kann man immer noch den Titel „Populist“ geben, um anzuzeigen, wie gefährlich er für die Allgemeinheit ist, die ihm offenbar hinterherläuft.
Und gegen den Populismus von rechts und links gibt es immer die Erklärung der Verfassungsfeindlichkeit und die Klage vor dem Verfassungsgericht. Damit werden „Grundrechte als Waffe gegen das Prinzip der Volkssouveränität“ eingesetzt so als wären die Grundrechte der Verfassung dem „souveränen“ Gesetzgeber übergeordnet und müssten gegen das Volk geschützt werden. Emmanuel Josep Sieyès, der Inspirator der französischen Verfassung von 1791, betont dementsprechend, dass „die Verfassung […] sich nur auf die Regierung bezieht“ während es „lächerlich wäre anzunehmen, die Nation selbst sei durch die Formen oder durch die Verfassung gebunden, denen sie ihre Beauftragten unterstellt hat“. Die „Wertordnung mit den Mitteln des Strafrechts durchsetzen“, so Ingeborg Maus, „verkehrt die Funktion der Grundrechte in ihr Gegenteil“.
Ingeborg Maus spricht von einem „Exorzimus der Volkssouveränität“, der die „Macht des Volkes“ in geordnete, grundrechtliche Bahnen lenken soll. Wer Grundrechte als Schutz vor dem (populistischen) Volkswillen versteht und sie „über“ das Volk stellt, der verschiebt die Gewichte und gefährdet die Statik demokratischer Verfassungen, wie sie in der philosophischen und staatsrechtlichen Tradition (insbesondere der Aufklärung) durch „souveräne“, demokratische Selbstbestimmung begründet wurde.
Politischer Protest und Refeudalisierung
Die Überwältigung der Volkssouveränität durch die „Herrschaft der Exegese“ resultiert nicht (nur) aus der Selbstermächtigung der entsprechenden Verfassungsorgane, sondern entspricht dem Verständnis der „Mainstream Öffentlichkeit“. Es zeigt sich z.B. darin, dass politischer Protest sich zunehmend als „Widerstand“ versteht.
Das Widerstandsrecht ist freilich allenfalls ein sehr ferner Verwandter der Volkssouveränität. Das mittelalterliche Widerstandsrecht unterstellt eine vorgegebene, natürliche/göttliche Ordnung, der sich alle Teile der politischen Einheit (gegebenenfalls auf die ihr spezifische Weise, man denke an die Rede von Nähr-/Lehr- und Wehrstand) und insbesondere auch der Träger des staatlichen Gewaltmonopols unterordnen müssen. Regiert der Herrscher nicht „ordnungsgemäß“, gibt es ein Widerstandsrecht (oder gar ein Gebot), das freilich ausschließlich dazu dient, die althergebrachte Ordnung wieder herzustellen – Widerstand ist Widerstand zur Wiederherstellung. Von einer souveränen Rechtssetzung (gar des Volkes) ist hier gar nicht zu reden. Das zeigt sich auch in feudalen Freiheitsverbriefungen wie z.B. der Magna Carta Libertatum von 1215, die ausdrücklich keinen „Souverän“ duldet, weil sie selbst „absolut“ ist.
Die Praxis vieler Protestbewegungen, eine politische Entscheidung über eine gerichtliche Entscheidung der Rechtslage zu bewirken, folgt diesem Muster – das Widerstandsrecht erhält die (juridische) Form der Wiederaufnahme oder -vorlage. Die Liste der politischen Themen ist lang, für die beim „hohen Gericht“ um Klärung gebeten wurde: von grundlegenden ethisch-moralischen Fragen (Abtreibung, Gentechnik, Regelung des Ehe- und Familienrechts) über politische Grundentscheidungen (AKW, Volkszählung, Militäreinsätze im Ausland) bis zu einzelnen politisch-administrative Regelungen (EZB und Staatsanleihenkauf). Ingeborg Maus spricht von einer „gerechtigkeitsexpertokratischen Allzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts“.
Vom Ende des Souveräns
Der Umstand, dass Entscheidungen jenseits des „demokratischen Souveräns“ gesucht werden, zeigt offenbar ein Defizit der politischen Entscheidungs- und Beteiligungsprozesse an. Der Souverän ist im Großen und Ganzen tatenlos, unbeteiligt erschlafft und müde geworden. Politik ist schwierig und schmierig, eine mediale Inszenierung, der immer weniger vertrauen. Ohne die sich selbst stützenden und fördernden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von Politik und Medien würde Politik sich vermutlich als das zeigen, was es inzwischen ist: „präsidiale“ Show für das mehr oder weniger akute Krisenmanagement der Bürokratien, genannt Expertokratie.
Einige wenige, meist „Populisten“ und „politisch Extreme“, treiben sich zunächst auf den Straßen und Plätzen herum, um dann doch zu den Gerichten und in die Talk-Shows zu gehen. Politik ist lebensfremd, „unsouverän“ (gibt es das Wort?), sagen wir „uncool“.
Vielleicht passen ja, die alten Instrumente nicht mehr zur Neuen Welt!? Mit Blick auf die Globalisierung wird deshalb immer mehr in Frage gestellt, ob die „alteuropäischen“ Nationalstaaten den neuen Herausforderungen gerecht werden können. Die national ausgerichtete, „kleingeistige“ „Volkssouveränität“ wird, so wird vermutet, den Kapital- und Warenkreisläufen, den globalen Krisen und Kommunikationsbedarf nicht mehr gerecht. Die „ökonomische Globalisierung“ wird „als ein reales und objektives Verhängnis“ gesehen, „dem institutionelle Anpassungen automatisch zu folgen haben“. Die schöne Neue Welt fordert: Effizienz und Effektivität.
Dagegen haben die Theoretiker der demokratischen Verfassungen den Souverän in den Mittelpunkt gestellt. Ob ein Staat groß oder klein ist, ob es Staatenbünde oder gar eine globale Organisation mit Weltfriedensidee gibt, immer war die Frage, wie „eine Gesellschaft von Menschen“ in gemeinsamer Selbstbestimmung leben (!) kann. Der Idee der „Volkssouveränität“, so meinten sie, sei alles unterzuordnen und darin folgt ihnen Ingeborg Maus mit wütender Emphase – frei und selbstbestimmt zu leben, das ist das Limit. Freiheitsrechte können nicht als „Güter“ von Staatsorganen und Selbstbestimmungs-Allokations-Bürokratien zugeteilt werden. Sie werden er-lebt, Selbstbestimmung ist Selbst-Bestimmen. Ein untätiger Bürger, er mag so viel Zeitung lesen (tut das noch jemand?), Polit-Talk-Shows und -Magazine konsumieren. Selbstbestimmung kann nicht konsumiert werden und auch nicht repräsentiert werden. Und was zur Selbstbestimmung, zur „Volksouveränität“, nicht passt, kann und sollte weg – jedenfalls wenn man sich für Politik interessiert. Das soll’s ja geben.
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