Ein Geständnis zum Wochenende

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Es ist an der Zeit. Ich muss etwas tun, was mir nicht leichtfällt. Es ist ein Bekenntnis, nein, ein Geständnis. Ich bin es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, schuldig. Ich will nicht lange herum – und mich auch gar nicht herausreden. Es ist wie es ist und darf nicht so bleiben. Deshalb habe ich mich entschlossen, mich in aller Offenheit zu meiner Vergangenheit zu bekennen. Ich hoffe damit selbst zur Ruhe zu kommen und mich von dieser düsteren Seite meiner Person losreißen zu können. Das ist nicht einfach. Wir sind zu dem geworden, was wir sind. Unsere Vergangenheit bestimmt unser Dasein. Unser Ge-wesen-sein macht unser Wesen aus. Wir sind Wesen aus der Zeit. Und gerade deshalb auch zukunftsoffen und frei. Wir können uns befreien und Dinge hinter uns lassen.

Dazu möchte ich auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, motivieren. Ich kann nicht beurteilen, ob Sie in einer ähnlichen Verstrickung feststecken. Das können nur Sie beurteilen. Vielleicht ist Ihnen dabei mein Schuldbekenntnis hilfreich. Denn es geht hier um eine heimtückische Droge, deren Wirkung uns zunächst verborgen bleibt, die sich allerdings in unserem Kopf, in unserer ganzen Person festsetzt und am Ende unser ganzes Dasein zu bestimmen droht. Ich kann für mich sagen, ich habe erst spät wahrgenommen, welche heimtückische Wirkung davon ausgeht. So sehr ich mich bemühte etwas Philosophisches zur Zeit beizutragen, so sehr war ich doch im Zugriff dieses geistigen Rausch- und Betäubungsmittels.

Tatsächlich hatte ich davon schon einiges gelesen. Über die Tiefenstruktur des Gifts, die geistige Verhexung und Verwahrlosung, die es selbst bei aufrichtigsten Vorkämpfern für Freiheit und Menschenwürde hervorruft. Ich wollte es nicht recht wahrhaben. Aber oft sind es kleine Begebenheiten, unscheinbare Nebensächlichkeiten, die uns dann plötzlich zur Einsicht bringen. Hunderte Male war es uns schon begegnet, aber dann, plötzlich stoßen wir dran und wachen endlich auf. Ich sage das nur, damit Sie die Erschütterung verstehen, die mich in Erinnerung daran immer noch ergreift.

Aber nun zur Sache: confessio est regina probationum. Also: wie soll ich möglichst unverhohlen, direkt und doch mit der notwendigen Demut und in zaghafter Scheu bekennen?! Gerade bei den wichtigen Dingen im Leben, fehlen einem die Worte. Wie soll man ausdrücken, dass man jemanden liebt. Wissen wir selbst, was es heißt, unsere Kinder zu lieben? Wie können wir dann davon reden. Was für die Liebe gilt, das gilt auch für die Scham. Wir wissen um unsere Schuld, können sie aber gar nicht recht fassen und die Scham, die uns ergreift bleibt sprachlos.

Aber es hilft nichts, die Wahrheit kann grausam sein. Sie muss raus: Ich … ich verging mich … confiteor … ich spielte jahrelang Schach! So, jetzt ist es raus.

Und doch steckt auch darin noch eine Unaufrichtigkeit: Spielen?! Was heißt spielen?! Hier sehen Sie es, liebe Leserinnen und Leser, schon wieder: Spielen? Welch Verharmlosung, welche Leugnung? Ich richtete mich ab, ich dressierte mich und wurde dressiert. Das ist die Wahrheit. Nichts verinnerlichen wir so gut wie das im Spiel Eingeübte. Spielen müssen wir nicht rechtfertigen, es ist grundlos und bereitet, so unschuldig es sich gibt, doch auf den gnadenlosen Ernst des Lebens vor. Es übt die Regeln ein, die dann die Welt beherrschen. Schachspiel? Welch ein Euphemismus, welch eine Verbrämung?! Es ist die Schule der Unbarmherzigkeit, der kalten Berechnung und der gefühllosen Rationalität. Das Spiel der Bauernopfer und der Königsideologie. Ein rassistisches Gemetzel von Weiß gegen Schwarz, bei dem die „Weißen“ immer den Zugvorteil haben und immer alles mit Weiß beginnt. Wir denken uns – wie so oft – nichts dabei. Aber plötzlich erwachen wir. Ich stieß mit einem Buch ein paar Figuren auf einem seit langem achtlos aufgestellten Schachbrett um. Als ich eine schwarze Figur, ich glaube es war ein „Läufer“ (bishop, fou, alfiere), wieder aufs Brett stellen wollte, sah ich die „Schwarzen“ umzingelt von „Weißen“. Schlagartig sah ich die weißen und schwarzen Figuren anders. Und ich erkannte: das Leben ist kein Schachspiel. Wir müssen weg von diesen Spielen. Wir müssen endlich radikal sein.

Wenn Sie nun meinen, ich würde übertreiben und die Sache unnötig zuspitzen. Glauben Sie mir, die Sache ist ernst. Wie ernst wurde mir erst klar als ein Kollege, mich auf eine Schach-Online-Plattform hinwies. Das war gut gemeint. Es ist tatsächlich ein phantastisches Angebot, das abertausende „Spieler“ anlockt. Nur den Wenigsten dieser Schach-Begeisterten und -Verhexten dürfte klar sein, worauf sie sich einlassen. Es gibt darunter wahrscheinlich einige „Schach“-Leugner. Deshalb ist Aufklärung hier so wichtig. Und es ist ein weiteres Indiz dafür, wie gefährlich Online-Medien für unsere Demokratie und unsere Zivilisation sind. Lassen Sie uns dagegen vorgehen. Geben wir Schach keine Chance! Es lebe die Anti-Scha!

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