Die Maske ist links

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Die Fragen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie, Pardon: Pandemie, sind rechts. Jedenfalls muss „wer den rechten Protest verstehen willElsa Koester im „der Freitag“ lesen. Natürlich hat alles seine oder ihre Gründe. Wer Zweifel hatte, dem macht der „Sturm auf den Reichstag“ die Maske nun  endgültig links. „Jahrzehntelang“, schreibt Else Koester, „war es Sache der radikalen Linken, außerparlamentarischen Protest in dieser Form zuzuspitzen, durch symbolträchtige Aktionen auch inhaltlich zu radikalisieren. Etwa bei Blockadeaktionen der Gleise von Atommülltransporten. Oder bei Baggerbesetzungen. Oder dem Sturm auf die rote Zone bei G8- und WTO-Gipfeln in Seattle oder Genua. Das Zusammenspiel aus heterogener Masse auf Großdemonstrationen und kleineren Aktionen des zivilen Ungehorsams verstärkte die Brisanz der Debatte – über Kapitalismuskritik, über Grundrechte, über den Atomausstieg, den Kohleausstieg. Nun sind es Neonazis und Verschwörungstheoretiker, die diese Radikalisierung in die Debatte über die Corona-Maßnahmen bringen:“ Hmm. 

Elsa Koester sieht jedenfalls eine Machtverschiebung, von links nach rechts. Ok. Das ist bedauerlich. Sie beklagt das auch ausführlich und zeigt sich fassungslos, dass dies erst jetzt richtig wahrgenommen wird. Man hätte, meint sie, die Opfer des Neoliberalismus, „neoliberal geformte und gekränkte Mitglieder der Gesellschaft“ und „bislang weitgehend unpolitische Menschen“ nicht „rechts“ liegen lassen dürfen.

Was hat das mit Corona zu tun? Elsa Koester sieht „soziale Verwerfungen“, die nun auf einen „fundamentale[n] Paradigmenwechsel“ treffen, „den Blick von sich selbst zu erheben und die Gesellschaft als ganze zu verstehen; sie sehen sich konfrontiert mit einer Pandemie, die es erfordert, das eigene Verhalten an den Schutz der Schwächeren anzupassen, selbstlos“. „Die Ablehnung dieses Paradigmenwechsels ist eine Reaktion, die politisch als rechts bezeichnet werden kann. Deshalb ist es nicht nur die räumliche Nähe von Neonazis, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und politisch gemäßigten Menschen, die der Linken Sorgen bereiten muss, sondern das Anliegen der Demonstration als solches: Es ist politisch rechts.

Ok. Rechts ist das Anliegen, weil es „politisch als rechts bezeichnet werden kann“. „Nicht nur die räumliche Nähe“, sondern das „Anliegen der Demonstration als solches“ (!) Warum noch mal? Hier die „Begründung“ (!): „Denn das Tragen der Maske ist ein Akt der Solidarität. Man schränkt sich ein, um Schwächere zu schützen: Solidarprinzip. Dieses abzulehnen, ist ein neoliberaler Akt: einer, der die Schwachen sich selbst überlässt und den Starken alle Freiheit einräumt. Ohne Maske ist die Corona-Gesellschaft eine, in der sich der gesundheitlich Überlegene durchsetzt.“ Über das Anliegen wird nicht gesprochen, geschweige denn diskutiert. Es ist rechts, weil die Maske links ist.

Widerstand ist zwecklos – wir sind links

Wer das alles nicht glauben kann, der möge es einfach ausführlich nachlesen. Und am besten auch die „Widerrede“ von Mona Pauly, die es freilich nichts ins Blatt selbst, sondern nur auf den Blog des Freitags geschafft hat (nicht gerade eine Diskussion auf gleicher Augenhöhe – aber immerhin). Mona Pauly interpretiert Daten & Fakten des Verlaufs der Corona-Pandemie in Deutschland – davon findet sich bei Elsa Koester nichts. Mona Pauly verweist in ihrer „Widerrede“ auf die zweifelhafte Aussagekraft des PCR-Tests und die irreführende Gleichsetzung von „positiv Getesteten“ und Erkrankten – auch davon schweigt Elsa Koester. Mona Pauly vergleicht die ursprüngliche Zielsetzung der Pandemie-Bekämpfung mit den Auswirkungen der Regierungspolitik und beklagt die fehlende Diskussion darüber – vor allem auch in der Linken. Auch darüber ist bei Elsa Koester nichts zu lesen. Sie muss sich mit all dem nicht beschäftigen, denn sie weiß ja, dass das alles „politisch als rechts bezeichnet werden kann“. Mehr muss man als Linker dazu nicht sagen. „Linke Werte wie Humanität, Pluralität, Toleranz und soziales Miteinander musste man“, meint Mona Pauly „in den letzten Monaten mit der Lupe suchen. Diese Leerstelle lässt sich nicht füllen, indem man der Maske irgendeinen solidarischen Charakter andichtet. Sie bleibt ein verkeimter Stofflappen, mit dem öffentlich sichtbar Gehorsam gezeigt werden soll.

Exkurs: Auch in der Krabbelgruppe gibt es Linke.

Bei uns im Ort gibt’s eine Krabbelgruppe, an der auch meine kleine Tochter gelegentlich teilnimmt. Eigentlich krabbeln alle schon seit Monaten nicht mehr. Also trifft man sich eher zum Herumtoben. Die Babys sind inzwischen Spielplatz-Kinder geworden und einige haben sogar schon Geschwister bekommen. Eine Mutter erzählt, wie das so in Corona-Zeiten funktioniert hat: Natürlich hatte sie bei der Entbindung Maske auf. Das war Pflicht. „Ruhig und gleichmäßig atmen!“ hieß es im Geburtsvorbereitungskurs, das sei ganz wichtig. Gut, die Maske stört da ein wenig, aber das ist ja beim Entbinden das kleinste Problem – so könnten das vielleicht solidarische Menschen sagen. Der Papa, mit dem man zusammenlebt und der die werdende Mutter auch in den Kreißsaal gebracht hat, musste draußen bleiben. Stichwort Aerosole und so. Erst im letzten Moment darf er dabei sein. Da nimmt man das Risiko in Kauf. Das ist wahre Solidarität und die Mütter haben das ja seit Jahrhunderten auch alleine geschafft. Gut, dass es linke Mütter und Väter gibt. 

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