„Die im Dunkeln sieht man“ … jetzt

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Dürers Selbstbildnis von 1500
Rechte Tafel des Columba-Altar Triptychon (1450/55) von Rogier van der Weyden, Alte Pinakotek München

Manchmal ist es gut, wenn sich etwas verändert. Auch dort, wo das Alte gefeiert wird, im Museum. Die Alte Pinakothek z.B.. Als ich die Ausstellungsräume im Obergeschoß neulich betrat und zielsicher gleich nach rechts abbog … nein, da hing an zentraler Stelle nicht mehr Rogier van Weydens Anbetung der Könige des Columba-Altars, eines der überragenden Schätze der Pinakothek, da sah mich Dürers Selbstbildnis an: „Suchst Du mich?“ schien es zu fragen. „Oder was suchst Du sonst?“ „Ich wollte zu Rogier …“ wollte ich antworten … aber es hatte sich erübrigt. „Hier, bitte, schau, hier bin ich und zeige Dich Dir. Was willst Du mehr?“ Es war die alte Geschichte. Als ich mich wieder lösen konnte, war Rogier van der Weydens Altar für mich nur noch beiläufig da. Ein bisschen fühlte ich mich wie Maria in der linken Tafel bei der Verkündigung: existentiell gestört. Beim Blick auf die Wahrheit der Kunst wurde ich von dem Dürer an unerwarteter Stelle auf mich selbst zurückgeworfen.

Valentin de Boulogne (1591-1632), Dornenkrönung und Verspottung (1627/28) in der Alten Pinakothek München

Und auch sonst war vieles anders geordnet. Niemals war mir bisher Valentin de Boulogne (1591-1632) aufgefallen. Er hätte mir doch eigentlich ins Auge fallen müssen. Denn er malt im Stile Caravaggios (1571-1610) und das hätte mich anziehen müssen. Aber ich hatte ihn noch nie wahr-genommen. Nun plötzlich sah ich sein Blau, das so strahlend und hell aus dem Dunkeln kommt, das die Helle so prächtig vererdet und das durch das Leid so gänzlich ergraut. Anders als in der mittelalterlichen Malerei ist das kostbare Blau hier nicht Maria vorbehalten. Es umkleidet den Arm des willfährigen Helfers. Der mitleidig sich seinem Schicksal ergebende Jesus wird zur öffentlichen Hinrichtung vorbereitet – er soll nicht nur hingerichtet, sondern der Lächerlichkeit und der Schaulust zur Verhöhnung preisgegeben werden. Immer braucht es solche Helfer, solche bereitwilligen Vollstrecker. Sie verrichten ihr Amt, sorgfältig und mit Hingabe. Während seine beiden Mithelfer stutzen und ihnen Zweifel zu kommen scheinen, ob sie sich tatsächlich über Gebühr „engagieren“ sollten, mag sich der Pflichtbewusste nicht irritieren lassen. Was muss, muss. Und wenn, dann richtig. Valentin de Boulogne sah – ganz im Geiste Caravaggios –, dass die alte Geschichte sich wiederholt. Er sah sie zu seiner Zeit und stellte sie ihr vor Augen. Und wir können sie dank seiner bildlichen Vergegenwärtigung immer noch wahrnehmen – jedenfalls wenn wir nicht dran vorbeilaufen oder einfach wegschauen.